Barbara Bosch | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Der Kittel brennt: Reutlinger OB Bosch fordert Gemeinderat zu Re-Priorisierung von Projekten im aktuellen Haushalt auf

Stand: 11.12.15 07:04 Uhr

Die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch fordert die Gemeinderatsfraktionen zum Verzicht auf beschlossene Projekte für den mit knapper Not im Februar beschlossenen Doppelhaushalt 2015 /2016 auf. Der Hintergrund: nicht einzukalkulierende Ereignisse wie Schadstoffsanierungen an städtischen Gebäuden, der geplante Bau dreier Gemeinschaftsschulen und vor allem: die explodierenden Flüchtlingszahlen binden Geld und Verwaltungs-Ressourcen. Dazu kommen auch Projekte, die vom Gemeinderat nach der Haushaltsverabschiedung beschlossen wurden. Bosch drängt jetzt auf eine Re-Priorisierung nach Dringlichkeit. Wenn sich der Gemeinderat dem verweigere - so Bosch am Donnerstag - werde die Realität die Entscheidungen einholen. Es gehe um nicht weniger als die politische Handlungsfähigkeit der Stadt


 29. Januar 2015: Der Reutlinger Gemeinderat verabschiedet Monate verspätet, nach erbittertem Streit um 38 Millionen Neuverschuldung  mit nur einer Stimme Mehrheit den Doppel-Haushalt 2015/16. Monate sah es so aus, als ob die Stadtverwalung diesen Haushalt gar nicht durchbringen würde.

Mittlerweile aber haben sich die Entwicklungen überschlagen: Unerwartete Ereignisse wie Schadstofffunde in öffentlichen Gebäuden, kostenträchtige neue Gemeinderatsbeschlüss, aber vor allem auch die Flüchtlingskrise haben dennötigen Geldbedarf anschwellen lassen;das Bewältigen der kommunal unterzubringenden Flüchtlinge bindet gewaltige Verwaltungsressourcen - vor allem im Baudezernat.

Die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch fordert deshalb jetzt mit einer Beschlussvorlage an den Gemeinderat diesen dringslichst zum Handeln auf. Der aktuelle Haushalt müsse auf den Prüfstand, die dortigen Projekte nach Dringlichkeit und Unabwendbarkeit priorisiert werden. Was derzeit finanziell oder von den verwaltungstechnischen Ressourcen nicht gehe, müsse verschoben werden.

Die Schadstoffsanierungen wie am Schulzentrum BZN, an der Betzinger Hoffmann-Schule oder am Rathaus seien natürlich nicht aufschiebbar , so Bosch in einer Pressekonferenz. So schlägt allein die Asbestsanierung am BZN  mit rund 2,5 Millionen Euro zu Buche.

Auch über die rund 25 Millionen Euro teuren nachgeschobenen Gemeinderatsentscheidungen, die ohne Gegenfinanzierung seien,  müsse erneut nachgedacht werden.  Hier schlug Bosch gestern generell ein Agreement wie in Ulm oder Stuttgart vor: nicht gegenfinanzierte Vorschläge bei der Einreichung grundsätzlich nicht mehr anzunehmen.

Der Brocken, der die Stadt aber perspektivisch am meisten unter Druck bringt, ist die steigende Zahl kommunal unterzubringender Flüchtlinge. Der Umbau der Ypern-Kaserne für die Unterbringung von Flüchtlingen und  der Bau weiterer Unterbringungsmöglichkeiten in Gönningen, Betzingen und Oferdingen werden allein auf 3,6 Millionen taxiert.  Nicht das Ende der Fahnenstange, denn demnächst wird der Gemeinderat weitere 10 Standorte ausweisen müssen.

Zwei Drittel der Dezernate sind derzeit demnach mit Aufgaben rund umdie kommunale Flüchtlingsverpflichtungen beschäftigt.  Anderes geht fast gar nicht mehr . Bosch schlägt deshalb vor,  im Bauamt mehr Stellen zu schaffen - die Rede ist von rund 4. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs: Die immensen Folgekosten bei Menschen, die erst mal hier bleiben, summieren sich dann auch  im anstehenden Wohnungsbau, bei der Job-Vermittlung, bei neuen Sozialarbeitern, Securit-Maßnahmen und Dingen wie mehr Schulplätzen. Hier hofft Bosch  hofft auf mehr Geld von Land und Bund.  Als Städtetagspräsidentin hat sie vor ein paar Tagen entsprechende Forderungen formuliert.

Durch eine Re-Priorisierung der geplanten Projekte soll hier wieder Luft verschafft werden.  Die wichtigen müssten kommen, andere geschoben und vor dem nächsten Doppelhaushaltsbeschluss neu diskutiert werden. Zu den geschobenen Projekten würde beispielsweise der Komplex Oberamteistrasse gehören, aber auch die Renovierung von Turnhallen.

 Wegen der Flüchtlingskrise und deren Folgewirkungen bleibe deshalb nur eine verantwortungsvolle vorsichtige Fahrt auf Sicht. Niemand könne sagen, wie sich die Zahlen entwickelten.

An die Gemeinderäte gerichtet, sagte Bosch: "Wenn man weiß, dass alles nicht geht, muss man sich überlegen, was man schiebt". Hier funktioniere der städtische Haushalt eben so wie eine Familienkasse. Man könne sich nur leisten, was man bezahlen könne.

Eine gute perspektivische Nachricht für die Stadt, ihre Bürger und die Räte haten die Oberbürgermeisterin und ihr Finanzbürgermeister Alexander Kreher aber an diesem Tag dennoch mit im Gepäck. Die Steuereinnahmen sind zwischen Mai und Oktober überraschend um rund 9 Millionen höher ausgefallen, als erwartet. Die lange erhoffte Verbesserung bei der städtischen Einnahmesituation ist da. Das zusätzliche Geld wird aber restlos von den neuen Kosten absorbiert.

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