Die Forscher suchen unter Fossilien der so genannten Jehol-Gruppe aus dem Nordosten Chinas. Als Jehol-Gruppe werden reiche Funde eines kreidezeitlichen Ökosystems aus einem mehrschichtigen Gesteinsblock bezeichnet, der sich in den chinesischen Provinzen Liaoning, Hebei und der Inneren Mongolei erstreckt. Vor rund 125 Millionen Jahren wurde dort eine ganze Reihe von Lebewesen konserviert. Die Fundstelle ist durch die Entdeckung gefiederter Dinosaurierfossilien bekannt, welche die Abstammung heutiger Vögel von Dinosauriern belegten. Der erste Fund eines Wirbeltiers, der 1942 aus der Jehol-Gruppe beschrieben wurde, war jedoch eine von vielen dort zu findenden Schildkröten.
In der aktuellen Studie beschreiben Zhou und Rabi eine neue Schildkrötenart aus der Jehol-Gruppe, Xiaochelys ningchengensis, und untersuchten ihr Verwandtschaftsverhältnis zu heutigen Meeresschildkröten. Sie verwendeten dabei vergleichende Untersuchungen der Morphologie, also der Gestalt und Form, sowie früher gewonnene genetische Daten lebender Arten und erstellten einen umfassenden Abstammungsbaum der modernen Schildkröten.
Die Forscher untersuchten die früher aufgestellte Hypothese, dass die Jehol-Schildkröten zu einer Abstammungslinie gehören, die später in der Evolution die heutigen Meeresschildkröten hervorbrachte. „Nach unseren Ergebnissen sind die Jehol-Schildkröten stattdessen aber eher auf der Abstammungslinie einzuordnen, die zu den sogenannten Halsberger-Schildkröten führt", sagt Zhou. Die Halsberger-Schildkröten (Cryptodira), unter ihnen auch die Meeresschildkröten, können ihren Kopf und Hals in einer S-förmigen Bewegung senkrecht zum Panzer einziehen. „Jedoch erscheint es statistisch gesehen nur wenig schlechter abgesichert, dass sie evolutionär nahe den Meeresschildkröten zu platzieren sind", fügt Rabi hinzu. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die frühesten bekannten Meeresschildkröten den Arten aus der Jehol-Gruppe sehr ähnlich gesehen haben müssen.
„Durch die besonders gute Konservierung der Fossilien erhalten wir Einblicke in die Abstammung der Halsberger-Schildkröten. Zu ihnen gehören rund drei Viertel der heute noch lebenden Schildkrötenarten", sagt Chang-Fu Zhou. Die Studie mache deutlich, dass die Entstehung der hauptsächlichen Anpassungen der Meeresschildkröten noch unklar ist. Dazu gehört das reduzierte Skelett und die zu großen, steifen Paddeln erweiterten Flossen, die ihnen eine Fortbewegung ermöglichen, die an ein Fliegen unter Wasser erinnert. „Der Ursprung der Meeresschildkröten war einer der großen morphologischen Übergänge in der Evolution der Wirbeltiere. Wie das vor sich ging, ist aber noch weitgehend unklar. Es war eine sehr erfolgreiche Anpassung, und es ist wirklich deprimierend zu sehen, dass diese letzten Überlebenden der Meeresreptilien nach mehr als 130 Millionen nun vom Aussterben bedroht sind", sagt Rabi.
Originalpublikation:
Chang-Fu Zhou, Márton Rabi: A sinemydid turtle from the Jehol Biota provides insights into the basal divergence of crown turtles. Scientific Reports, 5, 16299, DOI 10.1038/srep16299
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