Ralph Schönenborn | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen-Oferdingen:

Nach Schönenborn-Rücktritt: Oferdinger sehen sich zu Unrecht am Rechts-Pranger

Stand: 15.10.15 17:36 Uhr

Nach dem überraschenden Rücktritt des Bezirksbürgermeisters von Reutlingen-Oferdingen, Ralph Schönenborn, der sich wegen seines Eintretens für eine Flüchtlingsunterkunft einer Rücktrittsforderung, anonymen Drohungen gegen Leib und Leben sowie persönlichen Anfeindungen gegenübersah, üben die dortigen Räte und Teile der Bürgerschaft jetzt scharfe Kritik an den Medien. Man werde zu Unrecht bundesweit als ausländerfeindlich an den Pranger gestellt. Indessen sind die Bezirksgemeinde der Stadt Reutlingen etwas entgegengekommen: Sie stimmten gestern abend der Reutlinger Vorlage Errichtung einer Container-Unterkunft einstimmig zu. Allerdings fordert man weniger Flüchtlinge.


Das Oferdinger Rathaus am gestrigen Abend: Der Schock des Blitz-Rücktritt des Rathaus-Chefs am Mittwoch saß vielen sichtlich in den Knochen, den dieser mit anonymen Morddrohungen gegen seine Person und die Familie, aber auch mit offenen Feindseligkeiten und einer Rücktrittsforderung durch 9 von 11 Räten begründete; das Interesse an der schon vorher anberaumten öffentlichen Gemeinderatssitzung war deshalb groß: Der kleine Ratssaal platze aus allen Nähten.

Dort sollte ursprünglich nur über den Entschluss des Reutlinger Gesamt-Gemeinderats abgestimmt werden,auf einem freien Grundstück einen Container-Bau für 72 Flüchtlinge zu errichten. Eine Entscheidung, die zum einen wegen der als zu hoch empfunden Zahl, zum anderen wegen der Zentralisierung der Flüchtlinge im 2400 Einwohner Ort zumeist auf Widerspruch und schroffe Ablehnung stieß.

Ablehnung, die sogar der „Oferdinger Kreis für Flüchtlingshilfe" teilte, der - wegen Integrationsbedenken - rund 700 Unterschriften gegen den Entschluss der Stadt sammelte. Die Mehrheit der Bürgerschaft, so der Vorsitzende des Bündnisses, Markus Schröder, setze sich" für eine dezentrale Unterbringung und die hieraus angestrebte erfolgreiche Integration für Flüchtlinge ein". Und die sehe man durch ein zusammengeballtes Flüchtlings-Ghetto an einem Container-standort massiv gefährdet.

Das alles aber trat zunächst in den Hintergrund; denn: zu Schönenborns Rücktritt und dem Umständen herrschte Erklärungsbedarf: Es sei bedauerlich, so der stellvertretende Bezirksbürgermeister Fritz Beck, dass dies das es wegen massiven Bedrohungen "an Leib und Leben" zustande gekommen sei.  Von einer "solchen Vorgehensweise" distanziere sich der Bezirksgemeinderrat "aufs Energischste".

Auch Markus Schröder, der Vorsitznde des "freundeskreises für Flüchtlinge", der über eine Liste rund 700 Unterschriften gegen das von Schönenborn verteidigte Container-Projekt gesammelt hatte, sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. Man sei "entsetzt büber die persönlichen Anfeindungen gegen Herrn Schönenborn und seine Familie": Es dürfe "in unserer Rechtsordnung nicvht sein, dass Menschen wegen einer gegensätzlichen Meinung "an Leib und Leben bedroht" würden. Hiervon distanziere man sich "ausdrücklich"

Zu Unrecht sehen sich  aber nicht nicht nur die Räte, sondern auch viele Oferdinger durch die überregionale Berichterstattung platt in die rechte Ecke von Ausländer- und Flüchtlingsfeindeneinde gestellt: In der Presse werde man praktisch "rechtsradilisier", so ein älterer Oferdinger Bürger. Eine frau beklagt, dass man "in einen Topf geworfen" werde. Ein anderer mit Migrationshintergrund betont: die Vorhaltungen passten "sicher nicht zu Oferdingen".

Stattdessen beklagen hier viele eins: eine mangelnde Kommunikation "von oben": Schon als die Bürgerversammlung stattgefunden habe, habe der Rat sein Votum festgelegt, meint einer. Ein anderer hätte sich gewünscht, dass die Stadt "beide Seiten" sehe.

Indessen: die von permanenten Flüchtlingszuweisungen getriebene Stadt unterstreicht ihre eigenen Nöte. Bis 2018 müssen mindestens rund 1200 Menschen schnell untergebracht werden. Und jetzt steht der Winter unmittelbar bevor. deshalb, so die reutlinger Baubürgermeisterin ulrike Hotz, müssten Unterkünfte so rasch und so schnell wie möglich und für möglichst viele entstehen; und da böte sich eben nur die Container-Bauweise an.

Am Ende will der Oferdinger Bezirksgemeinderat - angesichts der verhärteten Fronten und der Entwicklungen dann ein Kompromiss-Signal setzen-. Nach langen Diskussionen, so der Sprecher des Bezirksgemeinderats Beck, sei man zu dem Ergebnis gekomnmen, dem umstrittenen Projekt am Riedgraben zuzustimmen. Allerdings nur, wenn sie die Zahl der dort hingebrachten Flüchtlinge auf 52 reduzierten.

Der Rat nimmt den modifizierten Vorschlag für einen Container-Bau dann einstimmig an. Jetzt muss der Reutlinger Gesamtgemeinderat entscheiden, ob auch er bereit ist ein Kompromiss-Signal nach Oferdingen auszusenden.

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