Ausländischer Schnellzug | Bildquelle: pixabay.com

Paris - Brüssel:

Schwerer Terroranschlag auf 554 Zug-Passagiere nur knapp verhindert - Begeisterter Empfang für Terroristenbezwinger auf US-Luftwaffenbasis Ramstein

Stand: 27.08.15 16:36 Uhr

Mindestens 554 Passagiere eines Thalys-Schnellzugs von Zug von Brüssel nach Paris sind am Freitag Abend nur knapp einem verheerenden islamistischen Terroranschlag entgangen: Zwei an Bord befindliche amerikanische Soldaten überwältigten einen islamistischen Terroristen. Sie hatten anhand typischer Ladegeräusche bemerkt, dass der 26-jährige Marokkaner dabei war, eine schwere Schusswaffe zu laden. Mehrere Passagiere kämpften mit dem Terroristen um den Besitz einer Maschinenpistole. Einer der US-Soldaten wurde durch einen Schuss schwer verletzt. Der Zug wurde zum Bahnhof von Arras umgeleitet; der Bahnhof von Sicherheitskräften abgeriegelt. Die Zugpassagiere und ihr Gepäck wurden von Anti-Terror-Einheiten durchsucht. Der Islamist war vor einiger Zeit über Berlin nach Syrien - und vor kurzem aus Syrien nach Belgien gereist.

Demnach sind Frankreich und Belgien gestern Abend nur knapp einem verheerenden Terror-Anschlag im Thalys-Schnellzug 9364 von Brüssel nach Paris entgangen. Der vereitelte Anschlag ereignete sich im zweiten Wagen gegen 17:45, etwa eine halbe Stunde, nachdem der Zug den Bahnhof von Brüssel verlassen hatte.

US-Soldaten fallen typische Klick-Lade-Geräusche auf

Die beiden US-Soldaten Spencer Stone und Alek Skarlatos, die sich privat und in Zivil auf einer Europa-Reise befanden, waren auf den Terroristen aufmerksam geworden, weil sie aus der Zugtoilette typische Geräusche gehört hatten, die darauf schließen ließen, dass dort gerade eine Maschinenpistole geladen wurde.

Passagiere kämpfen mit Attentäter um Kalaschnikow  - Terrorist bewußtlos geschlagen

In einem Interview auf dem US-Nachrichtensender NBCnews berichteten Spencer Stone, Mitglieder der US-Nationalgarde und Alek Skarlatos, Mitglied der US-Marines, was passiert war: Als Stone gesehen habe, dass der Terrorist seine Maschinenpistole entsicherte, sei er ohne zu zögern auf den Attentäter zugerannt, habe mit ihm um die Maschinenpistole gekämpft und ihm diese schließlich entwunden. Der Terrorist stach daraufhin mit einem Teppichmesser auf den US-Amerikaner ein. Der Attentäter habe Spencer mit dem Messer beinahe den Daumen abgeschnitten. Trotzdem gelang es Spencer, den Terroristen solange festzuhalten, bis dieser von den anderen eingreifenden Passagieren überwältigt werden konnte:

Skarlatos rannte hinter Spencer ebenfalls auf den Terroristen zu und griff in den Kampf ein. Wenn jemand erschossen worden wäre, dann Spencer, lobte Skarlatos später den Mut seines Mitreisenden. Ein weiterer Amerikaner, der College-Student Anthony Sadler und der in Frankreich lebende Brite Chris Norman (61) griffen ebenfalls in den Kampf ein, um den Terroristen zu überwältigen. Schließlich gelang es, den Terroristen bewusstlos zu schlagen und an Händen und Füßen zu fesseln.

Insgesamt beteiligten sich zwei US-Soldaten, ein Brite und ein amerikanischer Tourist an der Überwältigung des Attentäters. Der beim französischen TV-Publikum bekannte französische Schauspieler Jean-Hugues Anglade verletzte sich an der Hand, als er die Abdeckung eines Alarmknopfes einschlug und den Alarm auslöste.

Die erste Meldung mit ausführlichen Details zu dem Terroranschlag veröffentlichte die belgische Zeitung "La Voix du Nord" . Die Regionalzeitung berief sich auf Zeugenaussagen sowie auf Angaben der Staatsanwaltschaft.

Der Terrorist wurde noch auf belgischen Staatsgebiet überwältigt.  Nach Zeugenaussagen, die "Le Figaro" zitiert, kam es im Zug zu einem Ringkampf zwischen dem Terroristen und den Soldaten: Mehrere Passagiere kamen demnach den Soldaten zuhilfe und halfen durch Schläge auf den Hals des Terroristen, den Attentäter zu überwältigen.

Video zeigt den gefesselten Attentäter - 554 Passagiere überprüft

Auf einem Video, das vom amerikanischen Nachrichtensender CNN veröffentlicht wurde, ist der an Händen und Füßen gefesselte Terrorist zu sehen. Er liegt  auf dem Bauch im Gang des Zuges auf dem Boden. Seine Hände und Füße sind mit einem liafarbenem Band miteinander verschnürt.  Auffällig sind seine modische, offensichtlich neue Kleidung und Schuhe: Er trägt eine weisse, neu aussehende Hose und moderne, ebenfalls sehr neu aussehende Schuhe. Auf einem Zugsitz ist der graue Rucksack des Terroristen zu sehen. Zwischen Rucksack und Zugwand ragt ein Maschinengewehr heraus. Nur wenig davon entfernt kümmern sich andere Passagiere offensichtlich um den US-Soldaten, der im Handgemenge von einer Kugel des Terroristen schwer verletzt wurde.

Der Zug fuhr anschließend weiter bis auf französisches Gebiet und wurde zum Bahnhof von Arras umgeleitet, der nördlich der eigentlichen Zugstrecke Brüssel-Paris liegt.Dort wurde der Attentäter von der französischen Polizei in Gewahrsam genommen. Der Bahnhof wurde gesperrt. Die Überprüfung der 554 Passagiere und ihres Gepäcks durch Antiterror-Einheiten dauerte bis in die späten Abendstunden an. Die Sicherheitskräfte wollten sicher gehen, dass sich unter den Passagieren des Zuges keine weiteren Terroristen befanden. Der evakuierte Zug wurde noch im Bahnhof vor Arras von Spezialisten der Spurensicherung untersucht.

Mittlerweile befindet sich der Terrorist in Untersuchungshaft. Der Attentäter marokkanischer Nationalität oder Abstammung soll auf einer amerikanischen Anti-Terror-Liste aufgeführt sein, welche die Namen von potentiellen Terroristen enthält.

Terrorist war zuvor in Spanien und Syrien: Radikaler Islamist war Geheimdiensten bekannt

Einer Meldung der spanischen Tageszeitung ElPais zufolge handelt es sich bei dem Terroristen um den 26-jährigen Kahzzani Ayoub. Den Geheimdiensten sei Ayoub wegen seiner Verbindungen zu radikalen Islamisten bekannt. Ayoub selbst sei ebenfalls als radikal eingestuft worden. Der Terrorist habe sich etwa ein Jahr lang, bis ins Jahr 2014, in Spanien aufgehalten. Den El Pais vorliegenden Quellen zufolge sei Ayoub anschließend nach Syrien gereist, und vor Kurzem von dort nach Frankreich zurück gekehrt.

Nach einer Meldung auf FAZ.de reiste der Terrorist auf seinem Weg nach Syrien am 10. Mai 2014 über den Flughafen Berlin-Tegel, von dort aus flog er nach Istanbul weiter. In Syrien habe er möglicherweise Kontakt mit der islamistischen Terror-Organisation "IS" gehabt, bevor er am 26.Mai wieder in Belgien eingetroffen sei.

Das Attentat ereignete sich im Thalys Zug Amsterdam-Paris, noch auf belgischem Gebiet, kurz vor der belgisch-französischen Grenze. Die beiden amerikanischen Marine-Soldaten (andere Berichte sprechen von einem amerikanischen und einem britischen Soldaten) wurden bei der Überwältigung des mutmaßlichen islamistischen Terroristen verletzt, einer davon schwer: Der eine durch einen Schuss, der andere durch ein Messer. Leichte Verletzungen erlitt auch der Schauspieler Jean-Hugues Anglade. In einem Beutel, den der Attentäter bei sich hatte, fanden sich Waffen: Eine Kalaschnikow, eine Luger M80 Pistole mit vollem Magazin, eine Flasche voll mit Benzin, ein Teppichmesser sowie neun Magazine Maschinengewehrmunition. Ein Magazin für eine AK-47 ("Kalaschnikow") fasst  je nach Größe 30 bis 100 Schuss. Der Terrorist hatte somit zwischen 270 und 900 Schuss Munition bei sich.

Passagiere unter schwerem Schock

Die 554 Passagiere des Thalys-Zuges standen dem Bericht der Zeitung "La Voix du Nord" zufolge unter schwerem Schock. Nach der Ankunft des Zuges im französischen Arras fanden Personenkontrollen der Passagiere durch die angerückte Anti-Terror-Brigade BAC statt. Bis in die späten Abendstunden hielten sich den Angaben zufolge noch mindestens 338 Passagiere in der Bahnhofshalle von Arras auf. Die Passagiere wurden nach der Ankunfv des Zuges mit Lebensmitteln und Getränken versorgt.

Für die Passagiere seien der Zeitung zufolge auch Räumlichkeiten und Notfallbetten als Übernachtungsmöglichkeiten bereit gestellt worden. Der Zugbetreiber Thalys, dessen Züge markant in roter Farbe gestrichen sind, meldete am späten Freitag Abend auf seinem Twitter-Account, die Passagiere seien sicher und die Situation sei unter Kontrolle.

Später wurden die Passagiere nach Paris weitertransportiert. Der erste Zug mit Passagieren kam am Samstag morgen gegen 00:36 Uhr am Pariser Bahnhof Gare du Nord an. Für Transitreisende seien Übernachtungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten bereit gestellt worden. 

Tapferkeitsmedaillen für beherzte Passagiere

Der französische Staatspräsident Francois Hollande und der belgische Premierminister Charles Michel hatten noch am Abend des Attentats in einem Telefongespräch eine enge Zusammenarbeit bei der Aufklärung des vereitelten Terroranschlags vereinbart.  Die weiteren Ermittlungen wurden von einer  auf Terroranschläge spezialisierten Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernommen. 

Am Abend traf auch der französische Innenminister Bernard Cazeneuve in einem Hotel in Arras ein. Die Tat sei, so der Innenminister, ein "barbarischer Akt". Cazeneuve bedankte sich bei den beteiligten Reisenden für ihr couragiertes Eingreifen. Das habe Schlimmeres verhindert.

Die beherzten Passagiere, die den islamistischen Terroristen überwältigten, wurden vom französischen Innenminister noch vor Ort in einem Restaurant in Arras mit französischen Tapferkeitsmedallien ausgezeichnet.

Vernehmungen begonnen - Attentäter will Maschinenpistole gefunden haben

Bereits am Wochenende begannen die Vernehmungen des Attentäters in Paris. FAZ.net  zufolge behauptet Khazzani, er habe die Waffe in einem Park gefunden und habe lediglich einen Raumüberfall auf die Zugpassagiere begehen wollen. Die Staatsanwaltschaft schenkt dem Attentäter Medienberichten zufolge jedoch keinen Glauben, weil er in Spanien bereits durch islamistische Äußerungen auffällig geworden sei und wegen seiner islamistischen Aktivitäten auch auf einer Beobachtungsliste der Geheimdienste gestanden habe.

Terrorist will obdachlos gewesen sein - und kaufte Zugticket erster Klasse in bar für 159 Euro

Auch Khazzanis Vater hat sich, sichtlich geschockt, in der britischen Tagezeitung Telegraph zu Wort gemeldet: Sein Sohn sei zusammen mit mehreren anderen jungen Männern durch einen befristeten Arbeitsvertrag nach Belgien "gelockt" worden und nach einem Monat entlassen worden. Sein Sohn sei obdachlos gewesen und habe nichts zu essen gehabt.

Zu der auf der Hand liegenden Frage, weshalb der Sohn in dieser behaupteten Situation nicht einfach seinen Vater in Spanien oder seine Schwester in Brüssel kontaktiert  hat, und seine Familie um finanzielle Unterstützung für Nahrungsmittel oder für die Heimreise bat, liegen keine Informationen von Khazzanis Vater vor. Er habe seit einem Jahr keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn gehabt.

Ebenfalls gibt es auch keine Erklärung zu der Frage, weshalb sich Khazzani in Syrien aufgehalten hat. Weiterhin stellt sich die Frage, wie Khazzani das Flugticket für den Flug nach Syrien hin und zurück finanziert hat, wenn er in der behaupteten mittellosen Situation gewesen ist .

Auch der sehr gute Zustand der Kleidung, die Khazzani während des Attentates trug, sowie ein auf einem der Fotos erkennbares, offensichtlich dem Attentäter gehörendes Smartphone spricht gegen die Selbstdarstellung Khazzanis als Mittelloser und Obdachloser. Zudem stellt sich die Frage, woher der Attentäter Kenntnisse über den Umgang mit der Kalaschnikow hatte, die er nach eigener Behauptung "zufällig" in einem versteckten Koffer in einem Park in Brüssel gefunden habe.

Mittlerweile hat der französische Staatswanwalt bekannt gegeben, dass sich Khazzani für seine Terror-Zugfahrt ein Erste-Klasse-Ticket für 159 Euro gekauft hat, das er in bar bezahlt hat. Zudem habe er auf der Zug-Tolilette eine mit Bezin gefüllte Flasche deponiert. Unmittelbar vor der Tat habe er sich im Zug über sein Smartphone ein islamistisches Video angeschaut. Die französische Staatsanwaltschaft sieht damit die Geschichte vom "mittellosen Räuber aus Hunger" offensichtlich als widerlegt an und hat gegen Khazzani Ermittlungen wegen terroristischen Handlungen eingeleitet.

Zwischenzeitlich meldete FAZ.net, dass der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Erkenntnisse vorliegen, demnach Khazzani bereit lange vor dem Attentat EU-weit zur Beobachtung durch Behörden und Geheimdienste ausgeschrieben war. Demnach habe Deutschland die Durchreise von Khazzani über Berlin-Tegel nach Istanbul registriert und die Information sofort an Spanien gemeldet. Da gegen Khazzani aber nichts vorgelegen sei, habe Deutschland keine Handhabe gehabt, Khazzani an der Weiterreise zu hindern oder ihn festzunehmen.

Sorbonne-Professor stellt sich Attentäter in den Weg

Derweil veröffentlichte die britische Zeitung "The Telegraph" neue Details über den Tathergang: Demnach habe der Terrorist in einer Zugtoilette seine Waffen vorbereitet. Als der Attentäter mit der Maschinenpistole in der Hand aus der Toilette in den Gang getreten sei, habe der 51-jährige Sorbonne-Professor Mark Moogalian die Situation erkannt und versucht, Khazzani die Maschinenpistole zu entreißen.

Dabei sei Moogalian, der an der Pariser Sorbonne-Universität lehrt, von Khazzani in den Brustkorb geschossen worden. Khazzani sei darauf ins nächste Abteil gelaufen, wo er von Spencer Stone, Alek Skarlatos und weiteren Passagieren überwältigt worden sei.

Begeisterter Empfang auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein in Deutschland

Mehr als 500 Angehörige der US-Luftwaffe nebst deren Familien haben Spencer Stone und seinen Freunden aus Kindertagen, Aleksander Skarlatos and Anthony Sadler  einen begeisterten Empfang auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein bereitet. Die Militärangehörigen und ihre Familien säumten die Straßen in der US-Luiftwaffenbasis, als die drei in einem Konvoi vorbeigefahren wurden. Zuvor waren sie nach ihrer Ankunft per Hubschrauber von US-Brigadegeneral John T. Thomas, Generalleutnant Timothy M. Ray  und vielen weiteren US-Militärs begrüßt und beglückwünscht worden.

Stone trug seinen linken Arm aufgrund der mehren, im Kampf mit Khazzani erlittenen Verletzungen, in einer Schiene; seine Hand war verbunden. Stone befand sich auf dem Transit ins Landstuhl Regional Medical Center zur medizinischen Nachbehandlung seiner Verletzungen . 

Die drei US-Amerikaner waren am Montag, 24.082015, in Rahmstein eingetroffen, nachdem sie am Tag zuvor von Frankreichs Präsident Francois Hollande im Elysee-Palast in Paris zu Rittern der Ehrenlegion ernannt worden waren.

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