Boris Palmer im RTF.1-Interview | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Parteiausschluss von Palmer gefordert: Vorsitzende der Grünen Jugend, Kalmer, hält Positionen für inakzeptabel. Palmer weist Kritik zurück.

Stand: 31.10.15 10:37 Uhr

Die Vorsitzende der Grünen Jugend, Theresa Kalmer, fordert, Boris Palmer aus der Partei auszuschliessen. Dessen Positionen in der Flüchtlingskrise seien mit den Positionen der Grünen nicht vereinbar. "Wer sich in dieser Art äußert, steht inhaltlich und rhetorisch an der Seite von CSU und Pegida. Solche Positionen stehen im Widerspruch zu grüner Politik", so Kalmer in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "SPIEGEL".


Palmer fordert unter anderem, den Flüchtlingszustrom zu kontingentieren und die EU-Aussengrenzen deshalb zu schützen.

Bundesweit hatte er mit der Entgegnung zu Kanzlerlin Angela Merkels "Wir schaffen das" gesorgt.
Palmer sagte unter anderem gegenüber unserem Sender: "So schaffen wir das nicht". Des weiteren gab der Tübinger OB seiner Überzeugung Ausdruck, dass man auch Änderungen am Asylgesetz nicht ausschließen dürfe - falls eine "Grenze der sozialen Belastbarkeit" überschritten werde. Die von allen angestrebte Integration sei dann nicht mehr leistbar.

Zudem fordert er eine offene "tabulose" Diskussion über die Auswirkungen des Flüchtlingzustroms in Hinsicht auf eine möglich Jobkonkurrenz am Arbeitsmarkt im Niedriglohnsektor zwischen Flüchtlingen und Deutschen oder am Wohnungsmarkt.

Der grüne Tübinger OB war so auch in letzter Zeit Konflikt mit seiner eigenen Partei geraten. Diese hatte sich kürzlich öffentlich von Palmers Positionen distanziert. Der ehemalige baden-württembergische Parteivorsitzende Chris Kühn hatte dabei kritisiert, dass Palmer sich nicht mit seiner Partei abgestimmt habe.

Auch Palmers politischer Ziehvater, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, hatte diesen am vergangenen Dienstag aufgefordert, als OB  sich nicht zu Fragen zu äußern, "auf die er keinen Einfluss" habe. Es bringe nichts, sich immer wieder mit neuer Kritik zu äußern, weil so der Eindruck entstehe, dass "die Politik nichts tut. Das tut sie aber", so Kretschmann in Stuttgart.

Während Palmers Partei überwiegend damit argumentiert, dass Kritik an der Flüchtlingspolitik die extremen und radikalen Kräfte und Parteien wie die AfD und Pegida stärke, sieht der Tübinger OB einen umgekehrten Mechanismus: Realitäten und Probleme nicht auszusprechen, sorge für Unmut, der genau diesen radikalen Kräften nutze und ihnen Wähler zutreibe.

"Wenn er nicht freiwillig austritt, muss über ein Parteiordnungsverfahren nachgedacht werden.", so jetzt die Vorsitzende der Grünen Jugend, Theresa Kalmer im besagten Interview mit dem "SPIEGEL".

Indessen hat Palmer auf seiner Facebook-Seite die Grüne Jugend aufgefordert, sich daran zu erinnern, dass zu den fundamentalen Grundsätzen der Grünen "die offene Debatte" gehöre. Er halte es für nicht angebracht, "einen inhaltlichen Dissens durch Ausgrenzung zu lösen". Die jetzige Debatte sei weit von der Dimension "der Kämpfe der Fundis gegen die Realos in den 80ern oder der Diskussion über Kosovo-Einsatz und Atomausstieg Ende der 90er" entfernt.

Palmer wörtlich zur Ausschluss-Forderung der Grünen Jugend: "Ist das die Vorstellung von Widerborstigkeit, eigener Meinung, Pluralität und Freiheit der Debatte, die Ihr vertretet?".

Die Diskussion, die er angetreten habe, sei mehr als berechtigt, denn  "am Horizont zeichnen sich Ghettostrukturen und massive Integrationshindernisse schlicht wegen des Tempos und des Ausmaß einer ungesteuerten Einwanderung ab. Arbeitslosigkeit, Wohnungsmangel, Steuererhöhungen und soziale Konflikte sind auf diesem Weg sehr wahrscheinlich. Zudem droht Europa an der Flüchtlingsfrage zu zerbrechen. Ich finde, ein Oberbürgermeister, der das Gemeinwesen in Gefahr sieht, sollte das sagen dürfen, ohne ausgeschlossen zu werden", so Palmer heute auf seiner Facebook-Seite.

Palmer war vor rund einem Jahr triumphal mit rund zwei Drittel der Stimmen als Tübinger OB wiedergewählt worden. Er gilt innerhalb seiner eigenen Partei als Querdenker aber auch als einer ihrer klügsten Köpfe und wird von vielen als ein möglicher Nachfolge von Winfried Kretschmann als Ministerpräsident gehandelt.

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