Vulkan | Bildquelle: Pixabay.com

Karlsruhe:

Kühlender Effekt: Vulkanausbrüche bremsen Klimawandel - vorübergehend

Stand: 07.07.15 18:42 Uhr

Die Konzentrationen an Treibhausgasen in der Atmosphäre steigen stetig, dennoch ist die globale mittlere Bodentemperatur seit der Jahrtausendwende weit weniger stark angestiegen als erwartet. Eine Erklärung für diese bisher noch nicht völlig verstandene sogenannte "Pause in der Klimaerwärmung" liefert jetzt ein internationales Team, an dem auch Karlsruher Forscher beteiligt sind: Die Sonneneinstrahlung ist in den unteren Schichten der Stratosphäre zwischen 2008 und 2011 durch mehrere Vulkanausbrüche doppelt so stark abgeschwächt worden als bisher angenommen.

Für diesen Bereich der Atmosphäre lagen lange kaum Daten vor; jetzt aber lieferte das auf einen Lufthansa-Airbus gestützte IAGOS-CARIBIC-Projekt zusammen mit Beobachtungen des CALIPSO-Satelliten entscheidende Hinweise. Der kühlende Effekt von Vulkanen sei in den Modellen, auf denen der Bericht des Weltklimarats IPCC beruht, deutlich unterschätzt worden, so die Studie im Fachjournal Nature Communications. Unter Federführung der Universität Lund in Schweden waren daran aus Deutschland das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (MPI-C), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig (TROPOS) und das Karlsruher Institute für Technologie (KIT) beteiligt. Da Vulkanausbrüche bisher nicht vorherzusagen sind, bleibt offen, ob dieser kühlende Effekt in den nächsten Jahren anhalten oder aufhören wird. Langfristig wird die Erwärmung durch die Treibhausgase den kühlenden Effekt durch die Vulkan-ausbrüche aber überwiegen, da die Treibhausgaskonzentrationen immer noch ansteigen.

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist die Durchschnittstemperatur über den Kontinenten in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre nicht angestiegen. Dieser Effekt wurde intensiv in der Wissenschaft diskutiert und kann jetzt erklärt werden durch eine neue Studie, die zeigt, dass der kühlende Effekt von vulkanischen Aerosolpartikeln in den letzten Jahren besonders stark ausgeprägt war. Die Studie beruht auf Daten aus der Tropopause, einem Bereich der Atmosphäre zwischen 8 Kilometern (an den Polen) und 17 Kilometern Höhe (am Äquator), der eine Übergangszone zwischen der feuchten Wetterschicht mit ihren Wolken darunter (der Troposphäre) und der trockenen, wolkenfreien Schicht darüber (der Stratosphäre) bildet. Möglich wurde dies, weil das Team zwei Methoden kombinieren konnte: Probenahme und Vor-Ort-Messungen aus dieser Luftschicht durch IAGOS-CARIBIC sowie verbesserte Beobachtungen aus dem All durch den CALIPSO-Satelliten.

Das CARIBIC-Projekt (www.caribic-atmospheric.de) sammelt seit 1997 Daten zu Spurengasen und Aerosolpartikeln. Mit Hilfe eines Messcontainers, der in einen dazu umgebauten Airbus A340-600 der Deutschen Lufthansa verladen wird, werden vier Interkontinentalflüge pro Monat absolviert. Insgesamt werden so über 100 Spurengas- und Aerosolparameter gemessen, teils direkt in 9 bis 12 Kilometern Höhe, teils werden gewonnen Proben in verschiedenen Speziallabors nach dem Flug ausgewertet.

 

Der IAGOS-CARIBIC Messcontainer im Frachtraum des Lufthansa Airbus.Der IAGOS-CARIBIC Messcontainer im Frachtraum des Lufthansa Airbus.

 

CARIBIC bildet somit einen entscheidenden Eckpfeiler im weltweiten atmosphärischen Überwachungsnetz, mit dem ein besseres Verständnis der atmosphärischen Prozesse und des Klimawandels erreicht werden soll. TROPOS betreut dabei die Vor-Ort-Aerosol-messungen. Die Partikelproben werden von der Universität Lund aus Schweden im dortigen Ionenstrahlbeschleuniger analysiert, um die Konzentration von partikelgebunden Schwefel zu bestimmen. Setzt man diese Konzentration ins Verhältnis zur im Flug gemessenen Ozon-Spurengaskonzentration, ist dieses normalerweise relativ konstant. Bei Vulkanausbrüchen gelangt jedoch mehr Schwefel in die Atmosphäre, das Verhältnis verschiebt sich und zeigt so an, wie stark vulkanische Eruptionen die Tropopausenregion beeinflussen. „Das Verhältnis zwischen partikelgebundenen Schwefel und Ozon aus den CARIBIC-Messungen belegt deutlich den starken Einfluss von Vulkanen auf diese Luftschichten", berichten Dr. Sandra M. Andersson und Prof. Bengt G. Martinsson von der Universität Lund, die die Studie geleitet haben.

Die zweite Messmethode basiert auf Satellitenbeobachtungen. Die CALIPSO-Mission, eine Zusammenarbeit zwischen der National Aeronautics and Space Administration (NASA) der USA und dem Centre National d'Etude Spatiale (CNES) in Frankreich hat beispiellose Einblicke auf Aerosole und Wolken in der Atmosphäre ermöglicht. Bis vor kurzen wurden nur Daten oberhalb von 15 Kilometern genutzt, wo vulkanische Partikel aus großen Eruptionen bekanntermaßen unser Klima über mehrere Monate beeinflussen können. Die vergessene Region in der Stratosphäre – auch „unterste Stratosphäre" genannt – wurde nun vollständig mit einbezogen, um auch die Auswirkungen kleinerer Vulkanausbrüche berücksichtigen zu können. „Dr. Sandra M. Andersson, bis Ende 2014 Doktorandin von Prof. B. G. Martinsson, hat großartige Arbeit geleistet, um die CALIPSO-Daten bei der Suche nach den fehlenden Vulkanaerosolschichten zu nutzen", betont Dr. Jean-Paul Vernier vom NASA Langley Research Center.

Nachdem es zwischen 1999 und 2002 keine größeren Vulkanausbrüche in der Nordhemisphäre gab, konnten zwischen 2005 und 2012 deutlich mehr Partikel beobachtet werden. Besonders drei Eruptionen stachen dabei heraus: Der Kasatochi im August 2008 auf den Aleuten in Alaska (USA), der Sarytschew im Juni 2009 auf den Kurilen vor Kamtschatka (Russland) und der Nabro im Juni 2011 in Eritrea am Roten Meer. Alle drei schleuderten Schätzungen zufolge jeweils weit über eine Megatonne Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre. „Praktisch alle Vulkaneruptionen, die die Stratosphäre erreichen, führen zu mehr Partikeln in dieser Schicht, da sie Schwefeldioxid mitbringen, aus dem sich Sulfatpartikel bilden", erläutert Dr. Markus Hermann vom TROPOS, der die Vor-Ort-Partikelmessungen im CARIBIC-Projekt betreut.

Ob ein Vulkanausbruch globale Auswirkungen auf das Klima hat, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dazu gehört die ausgestoßene Menge an Schwefeldioxid sowie die maximale Höhe, die die Eruption erreicht. Aber auch der Breitengrad der Eruption spielt eine wichtige Rolle: Da die Strömungen in der oberen Atmosphäre auf der Nordhalbkugel weitgehend getrennt von denen auf der Südhalbkugel ablaufen, können nur Vulkane in Nähe des Äquators ihr Material effektiv über beide Hemisphären verteilen. Im April 2015 wurde an den Ausbruch des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa (auf 8° südlicher Breite) vor 200 Jahren gedacht, der zu einer so starken globalen Abkühlung führte, dass 1816 das „Jahr ohne Sommer" genannt wurde und dadurch schwere Missernten und Hungersnöte ausgelöst wurden. Auch der Krakatau 1883 in Indonesien (auf 6° südlicher Breite) oder der Pinatubo 1991 auf den Philippinen (auf 15° nördlicher Breite) sorgten für spürbare Abkühlungen. „Unsere Studie deutet nun darauf hin, dass der kühlende Effekt von Vulkanausbrüchen in der Vergangenheit unterschätzt wurde, da der unterste Teil der Stratosphäre in diesen Berechnungen fehlte", erklärt Dr. Sandra M. Andersson. „Insgesamt unterstreichen unsere Ergebnisse, dass die untere Stratosphäre viel wichtiger für das Klima der Erde ist, als bislang angenommen wurde", fassen die beiden CARIBIC-Koordinatoren Dr. Carl Brenninkmeijer vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPI-C) in Mainz und Dr. Andreas Zahn vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammen. Das CARIBIC-Observatorium wurde bis Ende 2014 vom MPI-C koordiniert und betrieben, seit 2015 durch das KIT.

In den letzten Jahren ist viel über Unterschiede zwischen den modellierten und den tatsächlich beobachteten Erwärmungsraten diskutiert und über die Ursachen dieser Diskrepanzen spekuliert worden – von systematischen Fehlern bei der Abhängigkeit des Klimas vom Anstieg der Treibhausgase bis zu Problemen, die natürlichen Schwankungen des Klimas hinreichend in den Modellen abzubilden. Neuere Untersuchungen konnten jedoch zeigen, dass verschiedene Faktoren wie veränderten Meeresströmungen, Schwankungen in der Sonnenaktivität und Aerosole aus Vulkanen zu diesen Abweichungen beitragen, weil sie in den Klimamodellen nicht hinreichend berücksichtigt sind. 2011 hatten Susan Solomon und Kollegen in SCIENCE den Effekt des vulkanischen Aerosols in der Stratosphäre oberhalb von 15 Kilometern Höhe noch auf -0,1 Watt pro Quadratmeter geschätzt. Die jetzt veröffentlichte Studie belegt jedoch, dass dieser globale Strahlungsantrieb sich zwischen 2008 und 2011 um mehr als 30 Prozent erhöht hat, wenn auch die untere Stratosphäre unter 15 Kilometern Höhe mit berücksichtigt wird. In den mittleren Breiten der Nordhemisphäre ist die Effekt sogar noch größer.
Tilo Arnhold (TROPOS)

Publikation:
Sandra M. Andersson, Bengt G. Martinsson, Jean-Paul Vernier, Johan Friberg, Carl A. M. Brenninkmeijer, Markus Hermann, Peter F. J. van Velthoven & Andreas Zahn (2015): Significant radiative impact of volcanic aerosol in the lowermost stratosphere. Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms8692.

http://www.nature.com/ncomms/index.html

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