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Sorge um Flüchtlinge und Migranten aktueller denn je - Ökumene: Kirchen veröffentlichen Gemeinsames Wort zur Interkulturellen Woche 2015

Stand: 25.05.15 09:14 Uhr

25.05.2015. Mit einem Gemeinsamen Wort der Kirchen laden der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos von Deutschland zur 40. Interkulturellen Woche ein. Deutschland habe sich zu einem Einwanderungsland entwickelt. Teile der BEvölkerung hätten aber Probleme mit der zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt haben.

Die Vertreter der Kirchen würdigen in ihrem Gemeinsamen Wort, dass sich Deutschland in den vergangenen vier Jahrzehnten zu einem Einwanderungsland entwickelt hat. Zugleich merken sie kritisch an, dass Teile der Bevölkerung Probleme mit der zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt haben. „In den vergangenen Monaten mussten wir erkennen, dass es in Deutschland auch heute noch offenen und verdeckten Rassismus gibt." Jeder Form von Ausgrenzung setzen die Kirchenvertreter das Konzept der Interkulturellen Woche entgegen: „Begegnung führt zum Abbau von Ängsten und lässt aus Unbekannten geschätzte Nachbarn, Freundinnen und Freunde werden. Gespräche schaffen Verständnis. Gesellschaftliche Teilhabe erlaubt volle Gleichberechtigung und lässt Integration wachsen."

Angesichts der dramatischen Situation im Mittelmeer sehen Kardinal Marx, Landesbischof Bedford-Strohm und Metropolit Augoustinos auch für die deutsche Gesellschaft eine große Herausforderung: „Wir dürfen nicht sehenden Auges zulassen, dass sich Menschen, die in existenzieller Not vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen, dem Risiko des Ertrinkens aussetzen. Andere Zugangswege nach Europa müssen gefunden werden, damit nicht das Mittelmeer der Ort wird, an dem das christliche Abendland wirklich untergeht." Deshalb würden die Kirchen um Verständnis werben, wenn Schutzsuchende aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan zu ihren Familienangehörigen nach Deutschland gelangen wollten, wo Europas größte Communities aus diesen Ländern beheimatet sind.

Auch vor diesem Hintergrund setzen sie sich für eine Weiterführung des Programms zur Flüchtlingsaufnahme aus Syrien und für ein neues Programm zur Flüchtlingsaufnahme aus dem Irak ein. Äußerst kritisch sehen die Kirchen die sogenannte Dublin-Verordnung, mit der die Verantwortung bei der Flüchtlingsaufnahme überwiegend bei den Staaten an den EU-Außengrenzen verbleibt. Es brauche „neue Ideen, die Zuständigkeit bei der Gewährung von Schutz europaweit zu regeln, statt Menschen hin und her zu schieben", so die drei Kirchenvertreter weiter. „Nach 40 Jahren sind die Interkulturelle Woche und ihre Anliegen aktueller denn je." Bundespräsident Joachim Gauck hat seine Teilnahme an der Eröffnung der Interkulturellen Woche am 27. September 2015 in Mainz zugesagt.

Das Gemeinsame Wort der Kirchen wird im Materialheft zur Interkulturellen Woche abgedruckt. Dieses bietet thematische und inhaltliche Unterstützung sowie Anregungen zur Planung der Interkulturellen Woche 2015 vor Ort. Neben Analysen und Handlungsimpulsen zur Bekämpfung von Rassismus bildet die Situation von Flüchtlingen einen weiteren Schwerpunkt. Beispiele für Gottesdienste und zu geistlichen Themen in der Interkulturellen Woche sind ebenso im Heft enthalten wie Anregungen für Veranstaltungen.

Die Interkulturelle Woche findet 2015 zum 40. Mal statt. Sie ist eine bundesweite Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Sie wird am 27. September 2015 im Hohen Dom zu Mainz mit einem ökumenischen Gottesdienst unter Leitung von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Metropolit Augoustinos, Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland eröffnet. Deutschlandweit sind während der Interkulturellen Woche mehr als 4.500 Veranstaltungen an über 500 Orten geplant.

Hier das Gemeinsame Wort zu "40 JAHRE INTERKULTURELLE WOCHE" im Wortlaut:

"Zum vierzigsten Mal rufen wir in diesem Jahr Kirchengemeinden, Kommunen, Ver­bände, Organisationen, Initiativen sowie alle Interessierten und Engagierten zur Mitgestaltung der »Interkulturellen Woche« auf. Anfangs noch unter der Bezeichnung »Woche des ausländischen Mitbürgers« wird sie seit dem Jahr 1975 in gemeinsamer Träger­schaft der Deutschen Bischofskonferenz, der Evange­lischen Kirche in Deutschland und der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland durchgeführt.

Unser Land hat sich in diesen vierzig Jahren stark ver­ändert. Die Erweiterung der Europäischen Union, Veränderungen der europäischen Landkarte, Globali­sierung, Armut und Verelendung in manchen Teilen der Welt, alte und neue kriegerische Konflikte und Krisen spiegeln sich in den Bevölkerungsstatistiken wi­der: Mehr als 7 Millionen Menschen in Deutschland haben keinen deutschen Pass; weitere 9 Millionen mit deutscher Staatsbürgerschaft sind Menschen mit Mi­grationsgeschichte. Etwa ein Fünftel der Menschen in Deutschland hat eine andere Muttersprache als Deutsch oder ist mit einer weiteren Sprache aufge­wachsen. Zugleich wandern derzeit jährlich weit mehr als eine Million Menschen nach Deutschland zu, die meisten aus Mitgliedsländern der Europäischen Uni­on. Fast 800.000 Menschen verlassen gleichzeitig das Land. All dies bedeutet eine beständige hohe Mobili­tät in allen Regionen des Landes. Deutschland ist im Laufe der Jahre ein Einwanderungsland geworden.

Aber gelegentlich stößt das Eintreten für Schwache und Schutzlose auch auf Kritik. Denn Teile der Bevöl­kerung haben Probleme mit der zunehmenden Vielfalt unserer Gesellschaft. In den vergangenen Monaten mussten wir erkennen, dass es in Deutschland auch heute noch offenen und verdeckten Rassismus gibt. Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland und Europa steigt bedenklich. Deshalb stellen die Kir­chen klar: Wir treten Rassismus und allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegen. All dies widerspricht dem christlichen Glau­ben und der Nächstenliebe. Wir verkennen nicht: Es gibt – zuweilen auch schwierige – Herausforderungen im Zusammenleben von Menschen verschiedener eth­nischer, kultureller, sprachlicher und religiöser Her­kunft und Identität. Aber sie müssen konstruktiv und würdig ausgetragen werden.

Damals wie heute heißt das Konzept der Interkulturel­len Woche: Begegnung führt zum Abbau von Ängsten und lässt aus Unbekannten geschätzte Nachbarn, Freundinnen und Freunde werden. Gespräche schaf­fen Verständnis. Gesellschaftliche Teilhabe erlaubt volle Gleichberechtigung und lässt Integration wach­sen.

Eine unverzichtbare Basis für das offene Aufeinander-Zugehen bildet unsere auch aus christlichem Geist ge­wachsene Verfassung: Die Menschenrechte sind die Grundlage unserer Gesellschaft, jeder Mensch hat die gleiche Würde und das Recht, in seiner besonderen kulturellen, religiösen oder sprachlichen Herkunft und Identität an- und ernstgenommen zu werden.

Das kirchliche Engagement ist aber noch tiefer ge­gründet. Wir setzen uns für Flüchtlinge und Migran­ten ein, weil die Sorge um die Schwächsten und die Fremden zum Kern des Christseins gehört. Christus selbst hat uns aufgetragen: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40).

Der Schutz von Flüchtlingen liegt zunächst in der rechtlichen und moralischen Verantwortung des Staa­tes und der ganzen Gesellschaft. Aber die Kirchen leis­ten dazu erhebliche eigene Beiträge – nicht zuletzt durch das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Kirchengemeinden bei der Aufnahme und Unterstüt­zung von Schutzsuchenden. Viele in unserem Land sind dankbar für diesen Dienst.

Angesichts der Weltlage ist davon auszugehen, dass auch in naher Zukunft Menschen in großer Zahl Schutz und Zuflucht in Europa und in Deutschland suchen werden. Viele wählen derzeit den hoch riskan­ten Weg über das Mittelmeer. Für unsere Gesellschaft stellt dies eine enorme Herausforderung dar: Denn wir dürfen nicht sehenden Auges zulassen, dass sich Men­schen, die in existenzieller Not vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen, dem Risiko des Ertrinkens ausset­zen. Andere Zugangswege nach Europa müssen gefun - den werden, damit nicht das Mittelmeer der Ort wird, an dem das christliche Abendland wirklich unter­geht. Die Kirchen werben auch um Verständnis, wenn Schutzsuchende aus Syrien, dem Irak oder Afghanis­tan zu ihren Familienangehörigen nach Deutschland gelangen wollen, wo Europas größte Communitys be­heimatet sind. Deshalb setzen wir uns auch für eine Weiterführung des Programms zur Flüchtlingsauf - nahme aus Syrien und für ein neues Programm zur Flüchtlingsaufnahme aus dem Irak ein. Falsch hin - gegen erscheint es uns, die Verantwortung bei der Flüchtlingsaufnahme überwiegend den Staaten an den EU-Außengrenzen zuzuschreiben, wie es vor allem durch die so genannte Dublin-Verordnung geschieht. Es braucht neue Ideen, die Zuständigkeit bei der Ge­währung von Schutz europaweit zu regeln, statt Men­schen hin und her zu schieben.

Nach vierzig Jahren sind die Interkulturelle Woche und ihre Anliegen aktueller denn je. Eine gute Zukunft für unser Land kann weder durch Assimilationsdruck auf Zuwanderer noch durch die Entstehung von Pa­rallelgesellschaften gelingen. Echte Integration und

Partizipation erfordern Beiträge aller in Deutschland lebenden Menschen, der hier geborenen wie der zuge­wanderten. Zusammenleben in Vielfalt muss immer wieder neu eingeübt werden. Manches Mal stellt es uns vor schwierigere Probleme und Fragen. Die kultu­relle Vielfalt gefährdet unsere Gesellschaft aber nicht in ihren Grundlagen, wenn wir auf der Werteordnung unserer Verfassung und dem wechselseitigen Interes­se aneinander aufbauen können.

Wir danken allen, die sich im Rahmen der Interkultu­rellen Woche öffentlich für Begegnung, Teilhabe und Integration einsetzen. Sie leisten einen wichtigen Bei­trag zum gelingenden Miteinander in unserer Ge - sellschaft. Wir wünschen ihnen Freude an der Vielfalt, lebendige und erfüllende Begegnungen und gute Er­fahrungen in ihrem Engagement."

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