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Nach Gehirnerschütterung: Störchin Ute wieder auf Kurs

Stand: 10.03.15 11:28 Uhr

Der NABU-Landesvorsitzende Andre Baumann hat Weißstörchin Ute am Federsee in die Freiheit entlassen. Ute hatte Glück im Unglück: Am 3. Februar war sie auf der Straße mitten in Buchau unterwegs. Jost Einstein, Leiter des NABU-Naturschutzzentrums Federsee, fing den flugunfähigen Vogel ein. Im NABU-Vogelschutzzentrum wurde er untersucht und aufgepäppelt. Vermutlich war die Störchin irgendwo regelmäßig gefüttert worden und hatte deswegen nicht den Weg in ihr Winterquartier angetreten. Der NABU kritisiert die noch immer verbreitete Praxis der Fütterung von Wildvögeln.

Eine Gehirnerschütterung sei vermutlich die Ursache dafür gewesen, dass der Vogel nicht habe fliegen können. Die könnte er sich etwa bei der Kollision mit einer Freileitung zugezogen haben. Es komme auch immer mal wieder vor, dass Störche von einem Dach abrutschen, sagt Jost Einstein. Dass die Störchin so früh im Jahr gefunden worden sei spreche dafür, dass sie die kalte Jahreszeit hier verbracht habe. Man wisse, dass mindestens drei Störche den Winter über im Federseegebiet geblieben seien. Damit gehören diese zu den geschätzt 250 Weißstörchen im Ländle, die ihr normales Zugverhalten aufgegeben haben. Für gewöhnlich machten sich Weißstörche aus Baden-Württemberg ab August auf in Richtung Winterquartier. Die kalten Monate über seien sie in Afrika oder Spanien. Ab Mitte Februar kehrten die Tiere allmählich zurück, so Einstein. Von Störchin Ute weiß man, dass sie 2011 als Jungvogel in Nordbaden beringt wurde. Im Herbst 2012 wurde sie im über 1.200 Kilometer entfernten Spanien gesichtet, im Frühjahr 2013 beim Nestbau in Oberbayern und zuletzt im Herbst 2014 in Oggelshausen.

Eine Ursache für das gestörte Zugverhalten der Störche sind Fütterungen. „Wenn zugefüttert wird, geben die Tiere ihrem Drang gen Süden zu fliegen oftmals nicht mehr nach", erklärt NABU-Landeschef Andre Baumann. Der NABU sehe das extrem kritisch. Man mache Wildtiere damit grundlos abhängig und greife massiv in natürliche Prozesse ein. Fänden die Vögel zu wenig Nahrung in der Natur, solle man sie nicht künstlich halten. Störche ernähren sich vorwiegend von Wirbellosen und Kleinsäugern sowie Amphibien. Darum sieht man sie an Tümpeln, auf Feuchtwiesen oder bei der Wiesenmahd hinter Traktoren schreiten und Nahrung auflesen. Ute und ihre Freunde brauchten artenreiche Wiesen und Tümpel, sagt Baumann. Es sei ein großes Problem, dass in vielen Regionen eine zu intensive Landwirtschaft storchenunfreundliche Landschaften hinterlassen habe. Weißstörche müssten echte Frösche schlucken.

Auch aus Sicht der Landes-Weißstorchenbeauftragten Ute Reinhard ist die Zufütterung angesichts der Populationsentwicklung unnötig. Die von ihr erhobenen Daten zeigen einen positiven Trend bei den Bestandszahlen in Baden-Württemberg. In den 1980er Jahren seien die Störche hierzulande fast ausgestorben. Heute gebe es wieder über 750 Brutpaare im Ländle, so Baumann.

Die Weißstörchin wurde nach der Landes-Weißstorchenbeauftragten benannt. Es könne kein Zufall sein, dass  die Störchin just an deren Geburtstag in die Freiheit entlassen worden sei, sagt Baumann. Ohne Ute Reinhard ginge es den Weißstörchen in Baden-Württemberg deutlich schlechter. Als Vertreter eines Verbands, der den Weißstorch im Wappen führt, esi es ihm eine Ehre Frau Reinhard die Namenspatenschaft für die Störchin anzutragen. Unser Dank gelte Ute Reinhard stellvertretend für den Einsatz aller ehrenamtlichen Storchenschützerinnen und Storchenschützer im Ländle.

Hintergrundwissen über Störche

Störche sind nach altem Volksglauben Kinder- und Glücksbringer: Wo sie nisten, ist das Glück nicht weit. Als Frühlingsboten stehen sie für die erwachende Natur. Zugleich ist der Weißstorch auch eine Symbolfigur des Naturschutzes.

Der langbeinige Weltreisende misst von einer Flügelspitze zur anderen knapp über zwei Meter. Er bewältigt riesige Entfernungen auf seinem Weg ins Winterquartier und wieder zurück: 200 bis 300 Kilometer pro Tag schafft er im energiesparenden Segelflug. Dabei erreicht er Flughöhen von bis zu 4.500 Metern und Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern.

Hierzulande fühlen sich Störche in feuchten Lebensräumen – Sümpfen, Auen und Wiesen – wohl, in denen sie ihre Nahrung finden. Als Nahrungsopportunisten bedienen sie sich je nach Angebot an Fröschen, Insekten, Regenwürmern, Eidechsen, Mäusen oder Fischen. Um ein Storchenjunges im Nest satt zu bekommen, braucht es täglich mehr als ein Kilogramm Futter. Wenn die Tage kürzer und kälter werden, gibt es für die Störche in hiesigen Breiten nicht mehr genug zu fressen und sie ziehen Richtung Afrika oder Spanien.

Störche sind Kulturfolger: Sie bauen ihre Horste häufig auf Hausdächern, Kirchtürmen oder Strommasten. Oftmals sieht man sie hinter landwirtschaftlichen Maschinen über Wiesen oder Äcker schreiten und Nahrung sammeln.

Die Storchenbestände sind in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts massiv gesunken: 1974 gab es in Baden-Württemberg nur noch 18 Brutpaare. Ein wichtiger Grund ist, dass Feuchtgebiete und Flussauen trockengelegt oder zerstört wurden, viele Flächen entwässert und intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden. Dadurch hat das Nahrungsangebot stark abgenommen. Zudem setzen dem Storch Gefahren auf dem Zug und der Lebensraumverlust in den Überwinterungsgebieten zu.

Damit der Storch langfristig eine Chance in Deutschland hat, sind Zufütterungen nicht das Mittel der Wahl. Anstatt die Tiere bei der Nahrungssuche mit Eintagsküken zu unterstützen, braucht es genügend Feuchtwiesen, auf denen Störche ausreichend Nahrung finden. Deshalb ist es wichtig, beim Schutz des artenreichen Grünlands nicht nachzulassen. Denn der Grünlandumbruch der vergangenen Jahrzehnte sowie eine nicht naturverträgliche Nutzung der Wiesen haben dazu geführt, dass den Störchen immer weniger Lebensraum zur Verfügung steht.

Dank des langjährigen Einsatzes der Naturschützerinnen und Naturschützer ist die Bestandsentwicklung in Baden-Württemberg trotzdem eine Erfolgsgeschichte für den Naturschutz: Seit den 1980er Jahren gibt es einen kontinuierlichen Aufwärtstrend bei den Beständen. 2014 ist die Zahl der Brutpaare im Ländle auf 764 gestiegen. Viele Naturschützerinnen und Naturschützer, darunter auch etliche NABU-Gruppen, beteiligen sich gemeinsam mit der Staatlichen Naturschutzverwaltung zum Teil schon seit Jahrzehnten aktiv an der Förderung des Weißstorchvorkommens in Baden-Württemberg, nicht zuletzt durch die Entwicklung und Verbesserung der Lebensräume. Diese Anstrengungen sind weiterhin notwendig, auch weil der Bruterfolg der Störche in vielen Jahren noch immer zu wünschen übrig lässt.

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