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Hameln:

Tumulte in Hameln: 14 Polizisten verletzt - Ausschreitungen gegen Polizei & Sanitäter nach Tod eines mutmaßlichen Tankstellenräubers

Stand: 15.01.15 20:21 Uhr

15.01.2015. In der Stadt Hameln ist es nach dem Tod eines zuvor festgenommenen, mutmaßlichen Tankstellenräubers zu tumultartigen Ausschreitungen durch die Großfamilie des Gestorbenen gekommen. Nach Darstellung der Polizei habe der Tatverdächtige ein Gespräch mit seinem Anwalt dazu benutzt, aus dem Fenster des Gerichtsgebäudes zu fliehen. Beim Versuch, das Gebäude hinabzuklettern, sei er abgestürzt und später im Krankenhaus gestorben. Als Mitgliedern der Großfamilie der Zugang zur Leiche im Krankenhaus verwehrt wurde, randalierten sie und bewarfen die Polizeibeamten und Rettungssanitäter am Eingang mit großen und kleinen Steinen. Die Notaufnahme musste daraufhin für 3 Stunden geschlossen werden. Die Ausschreitungen breiteten sich auf die Innenstadt von Hameln aus. Die Polizei rückte mit mehreren Hundertschaften an, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. 14 Polizisten wurden verletzt. Die Ermittlungen wurden von der benachbarten Polizei Hildesheim übernommen.

Vor dem Haftprüfungstermin, bei dem der Tatverdächtige ums Leben kam, hatte ein Bruder zunächst versucht, den festgenommenen 26-jährige Mohamed S. aus einem Polizeiauto zu zerren und ihm zur Flucht zu verhelfen. Das mißlang.

Beim darauffolgenden Haftprüfungstermin bat der Tatverdächtige um eine Unterbrechung für ein Gespräch mit seinem Anwalt. Nach Darstellung des Anwalts sei sein Mandant während des Gesprächs aus dem Fenster im 7. Stock ins Freie gekrochen. Nach Angaben der Polizei habe der Flüchtende versucht, an einer Häuserspalte nach unten zu klettern und sei dabei abgestürzt.

Die Großfamilie, die sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt hatte, musste den Sturz mit ansehen. Mohamed S. wurde schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert und starb dort.

Mitglieder der Großfamilie äußerten den Verdacht, Mohamed S. sei aus dem Fenster gestürzt worden. Die Polizei gab an, sie habe nicht rechtzeitig eingreifen können, weil sie wegen des vertraulichen Gesprächs zwischen dem Tatverdächtigen und seinem Anwalt einen Abstand zu den beiden gehalten habe.

Mitglieder der Familie versuchten anschließend, im Krankenhaus Zugang zur Leiche des Verstorbenen zu erhalten.

Als ihnen das verwehrt wurde, randalierten sie und bewarfen die Polizeibeamten und Rettungssanitäter am Eingang mit großen und kleinen Steinen. 14 Polizisten wurden verletzt. Die Ausschreitungen breiteten sich in die Innenstadt von Hameln aus. Die Polizei forderte Verstärkung an und rückte mit mehreren Hundertschaften gegen die Randalierer vor. Erst gegen 24 Uhr konnte die Polizei ihre Einsatzkräfte wieder aus der Innenstadt abziehen.

Medienberichten zufolge soll die Großfamilie aus dem Libanon stammen. Die Nationalität von Mohamed S. sei derzeit noch unklar.

Die Polizei Hameln hatte am 14. Januar 2015 um 10:40 unter dem Titel "Raubüberfall auf Tankstelle - Täter festgenommen - versuchte Gefangenenbefreiung"zunächst gemeldet: 

"Gestern Abend (Dienstag, 13.01.2015) wurde die HEM-Tankstelle in Aerzen überfallen. Ein mutmaßlicher Haupttäter und ein Mittäter sind vorläufig festgenommen worden. Vor dem Polizeidienstgebäude in Hameln kam es zu einer versuchten Gefangenenbefreiung durch den Bruder des einen Festgenommenen.

Um 21.35 Uhr betrat eine männliche, maskierte Person den Verkaufsraum der Tankstelle im Reherweg. Unter Androhung gegenüber der Kassiererin (31) diese "abzustechen" forderte der Täter die Herausgabe von Bargeld. Außerdem wurden vom Täter Schachteln mit Zigaretten in einer Tasche verstaut.

Der Täter flüchtete mit der Beute zu Fuß vom Tankstellengelände. Dabei wurde er von einem Zeugen beobachtet, der in diesem Moment an der Tankstelle vorbeifuhr. Er erkannte die Situation und nahm die Verfolgung des Flüchtigen auf. Nachdem der Zeuge den Täter aus den Augen verlor, bemerkte dieser jedoch einen Pkw Audi, der sich mit hoher Geschwindigkeit aus dem Bereich entfernte, in den der flüchtige Täter zuvor verschwunden war.

Über das Kennzeichen des Audi wurde ein 21-jähriger Aerzener ermittelt. Dieser konnte an seiner Wohnanschrift angetroffen und dort vorläufig festgenommen werden. Über Befragungen und Recherchen erlangte man Hinweise auf einen 26-jährigen Hamelner, der als Haupttäter in Frage kommt.

Der 26-Jährige konnte gegen 23.00 Uhr in einer Spielhalle in Aerzen ausfindig gemacht und vorläufig festgenommen werden. Bei einer intensiven Suche konnte im Nahbereich durch Einsatzkräfte eine unter Buschwerk versteckte Tasche aufgefunden werden, in der sich neben einem höheren Bargeldbetrag eine Kunststoffmaske, eine Luftdruckpistole, Handschuhe sowie weitere Bekleidungsgegenstände befanden.

Auch der 26-Jährige wurde zur Durchführung weiterer Maßnahmen zur Polizeidienststelle nach Hameln transportiert. Hier kam es am Zugangstor der Polizeiwache zu einer versuchten Gefangenenbefreiung. Der 25-jährige Bruder des Festgenommenen, der sich aus nicht bekannten Gründen vor dem Polizeigebäude befand, öffnete die hintere Tür des Funkstreifenwagens und versuchte seinen Bruder aus dem Fahrzeug zu ziehen. Die versuchte Gefangenenbefreiung konnte durch die Beamten verhindert werden.

Sowohl der 26-Jährige als auch sein Bruder befinden sich derzeit in Polizeigewahrsam. Der 21-jährige Fluchtwagenfahrer konnte nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Hannover nach Abschluss polizeilicher Maßnahmen entlassen werden. Weitere Ermittlungen dauern an. Geprüft wird u. a., ob der 26-Jährige auch für zurückliegende Taten in Aerzen, Klein Berkel und Hameln als Täter in Frage kommt."

Anschließend überschlugen sich die Ereignisse. Zu den anschließenden Geschehnissen liegt bis zur Stunde (Stand: 15.01.2015 - 20:21) noch keine offizielle Pressemeldung der Polizei Hameln vor.

Auf der facebook-Seite "Polizei Hameln inoffiziell" steht zu lesen (Abruf 15.01.2015 - 15 Uhr):

"Da hier die letzten Stunden viel teils Abenteuerliches geschrieben wurde, gestatte ich mir den nachfolgenden Beitrag:
Die Geschehnisse in Kürze

Am Dienstagabend hat ein 26-jähriger Mann eine Tankstelle in Aerzen überfallen und wurde noch am Abend verhaftet. Er wurde, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist, am gestrigen Mittwochmittag dem Haftrichter vorgeführt, der über seinen Verbleib in Untersuchungshaft zu entscheiden hatte. Während einer vertraulichen Unterredung mit seinem Verteidiger öffnete der junge Mann ein Fenster im 7. Stock und stürzte in die Tiefe.
Wiederbelebungsmaßnahmen der herbeigerufenen Rettungskräfte blieben auch im Sana-Klinikum leider erfolglos, er erlag seinen schwersten Verletzungen.

Absurde Gerüchte machten die Runde, die Polizei hätte ihn aus dem Fenster gestoßen oder sei anderweitig für seinen Tod verantwortlich, sogar von auf ihn abgegebenen Schüssen war die Rede.
Die Angehörigen machten lautstark ihrem Ärger und ihrer Trauer Luft. Zunächst vor dem Amtsgericht, im Nachgang auf dem Vorplatz des nahe gelegenen Sana-Klinikums. Hier griffen sie, nachdem ihnen der Einlass ins Krankenhaus verwehrt wurde, Rettungspersonal und Polizisten tätlich an – teilweise mit Steinen.
Die Polizei hatte zwischenzeitlich zahlreiche unterstützende Einsatzkräfte aus der Umgebung angefordert, welche alle sukzessive das Stadtgebiet erreichten. Bis in die Abendstunden kam es an zahlreichen Orten im Stadtgebiet zu teils gewalttätigen Tumulten, gegen 24 Uhr zog ein Großteil der Kräfte ab.
Kommentar

1. Dass ein naher Verwandter ums Leben kommt, ist (völlig unabhängig vom Hergang) traurig und ein für Außenstehende nicht zu beschreibender Schmerz. Das kann auch nicht relativiert werden. Den Angehörigen gebührt hierfür aufrichtige Anteilnahme.

2. Dass ein Mann, der immer auch Sohn, Bruder, Cousin, ggf. Onkel, Vater ist ums Leben kommt, nachdem er eine Tankstelle überfallen hat, wobei zudem niemand verletzt wurde, ist entgegen absolut vereinzelter Aussagen NICHT die gerechte Strafe. Der Strafrahmen findet sich in Deutschland immer noch im Strafgesetzbuch, das Strafmaß setzt ein Richter oder ein Senat fest. Wir können nicht auf der einen Seite Integration und Achtung der Gesetze erwarten, sie dann aber selbst nicht beachten.

3. Zu behaupten, die Polizei hätte den Verstorbenen aus dem Fenster geworfen – wie es einige hier allen Ernstes tun – ist ungeheuerlich und verbietet sich. Auch unter absolut verständlicher Trauer.

4. Zum Krankenhaus zu ziehen, dort zu randalieren und Rettungspersonal sowie Polizisten anzugreifen ist auf überhaupt gar keine Weise zu rechtfertigen und auch nicht durch Wut und Trauer zu entschuldigen.

5. Die Entscheidung der Polizei, den Zutritt zu verwehren war absolut korrekt. Nach dem Verhalten der Angehörigen vor dem Amtsgericht wäre es gröbst fahrlässig gewesen, den Angehörigen Einlass in ein Krankenhaus zu gewähren. Ungeachtet dessen, dass sie zu dem Zeitpunkt leider ohnehin nichts mehr für ihren Angehörigen hätten tun können.

6. Es ist ungeheuerlich, dass manche Gruppierungen ungeachtet ihrer Gründe meinen, eine ganze Kleinstadt in Geiselhaft nehmen zu können. Jeder hat Verständnis für Trauer und Verzweiflung, nicht jedoch für Krawall und Randale, am wenigsten gegenüber Unbeteiligten wie etwa dem Rettungspersonal. Derartiges Verhalten ist mit unserer Gesellschaftsordnung in keiner Weise vereinbar, spaltet die Gesellschaft und verfestigt bestehende Vorurteile.

7. Die Justiz & die Polizei werden bewerten müssen, inwieweit die Umstände, welche zu dem tödlichen Sturz geführt haben, vermeidbar gewesen wären. Ob bei erhöhter Fluchtgefahr eine Verhandlung in der 7. Etage mit öffnungsfähigen Fenstern angemessen war, ob genügend Justiz-/Polizeibeamte dort waren wo sie sein sollten et cetera.

8. Die Polizei wird zusätzlich intern bewerten müssen, ob im vorliegenden Fall, insbesondere unter Berücksichtigung der familiären Situation des Verstorbenen sowie der in höchstem Maße konkretisierten Erfahrung am Vorabend vor der Polizeiwache genügend und ausreichend ausgerüstete Kräfte eingeteilt waren, auch für einen weniger tragischen Ausgang und ob rechtzeitig hinreichend Unterstützung angefordert wurde.

9. Die Rettungskräfte haben alles Menschenmögliche unternommen und sich hierbei noch selbst der Gefahr ausgesetzt. Die jeweils vorhandenen Polizeikräfte haben ihr Möglichstes getan, um die Zivilisten, insbesondere auch die Rettungskräfte und Patienten im Krankenhaus vor der wütenden und gewalttätigen Masse auch in zeitweiliger Unterzahl zu schützen. Eine schnelle Genesung an dieser Stelle an diejenigen Einsatzkräfte, die hierbei verletzt wurden und an den betroffenen Mitarbeiter der Tankstelle!

10. Den Angehörigen des Verstorbenen bleibt für die schwere Zeit viel Kraft zu wünschen."

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