Das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen | Bildquelle: RTF.1

Grosselfingen:

Das Ehrsame Narrengericht tagte am Sonntag

Stand: 13.02.23 16:33 Uhr

Das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen ist wohl eine der ältesten Fastnachtstraditionen im deutschsprachigen Raum und die bestüberlieferte, die noch heute lebendig ist. Als solche steht sie seit 2015 im bundesweiten UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Das aufwendige Heimatspiel findet derzeit nur alle vier Jahre statt und erstreckt sich über ungefähr fünf Stunden. Das ganze Dorf wird zur Bühne, und die Bewohner zu Schauspielern. Am Sonntag war es wieder so weit, und zahlreiche Besucher nutzten die Gelegenheit, eine der seltenen Aufführungen zu erleben.


Alle vier Jahre verwandelt sich die Gemeinde Grosselfingen in das Venezianische Reich. Denn der Karneval in Venedig war das Vorbild dieser Fastnachtstradition, die heute noch genauso gelebt wird wie vor 400 Jahren, im Jahr 1623, als die Bruderschaft gegründet wurde.

"Wahrscheinlich ist das Spiel noch einmal hundert Jahre älter als die Bruderschaft", sagte Manfred Ostertag, Narrenvogt und oberster Richter. "Aber ein 400-jähriges Jubiläum mit einer Urkunde, die dazu noch existiert und dazu noch eine ganz besondere Urkunde darstellt, das ist schon äußerst besonders. Es handelt sich nämlich nicht um eine Urkunde, die durch irgendwelche Verbote oder Erlaubnisse oder sonst irgendwelche Geschehnisse entstanden ist, sondern eine sogenannte positive Urkunde, Gründung einer Bruderschaft."

Mit schwäbisch-alemannischer Fasnet hat das Ganze wenig zu tun. Der Überlieferung nach waren die Ortsherren, die Herren von Bubenhofen vor der Pest nach Venedig geflohen und hatten das Spiel – inspiriert vom dortigen Karneval – eingeführt, um das Volk nach der Pandemie wieder zu erheitern. Kommt einem bekannt vor, denn die diesjährige Aufführung fällt in eine ähnliche Zeit.

"Auch wir haben im Moment schon bessere Zeiten erlebt", sagte Ostertag. "Wir hatten schon Zeiten ohne Corona und ohne Krieg in der Ukraine, und so sehen wir auch heute unsere Aufgabe auch an diesem Tag, das Volk durch unseren Frohsinn, durch unseren fastnachtlichen Frohsinn und Freude zu erheitern."

2.300 Einwohner hat Grosselfingen, 340 davon spielen im Fasnetsspiel mit. Jeder hat dabei eine besondere Rolle. Von Bedeutung sind dabei die sogenannten Chargen, also die Gruppen des Spiels. Ob Hanswurste, Wegräumer, Grenadiere, Musiker, Butzen, aber auch Bäcker, Metzger, Gärtner und Jäger.

"Jeder kann in der Charge mitwirken, die ihm gefällt", sagte Ostertag. "Meist oftmals ist es aber auch so, dass die Rollen von den Vätern an die Söhne weiter und dann an die Enkel weitergegeben werden, so ist es schon passiert, dass in der siebten Generation in der selben Charge, beispielsweise bei den Peitschengallern der Enkel den Chargenführer dann macht."

Das eigentliche Narrengericht im abgedunkelten, relativ kleinen Raum ist nur ein Teil des mehrstündigen Schauspiels, das einer festen, seit Jahrhunderten so praktizierten Ordnung folgt. Zu den Höhepunkten gehören der Festumzug zur Abholung der Würdenträger, die Abholung des Krauthafens am Pfarrhaus und als Finale das Spiel um den Raub des Sommervogels. Am Ende war der Narrenvogt, der Vorsitzende der Bruderschaft, zufrieden.

"Es hat alles prima funktioniert", sagte Ostertag. "Die Gerichtsverhandlungen, sie waren wirklich vom Feinsten, und auch ansonsten: Der Sommervogelraub, der letzte Spielteil, an dem eigentlich viel schief gehen kann, ist perfekt abgelaufen, ich bin mit meinen Mitspielern wirklich hochzufrieden, also, wirklich einmalig toll war es heute."

Wer das diesjährige Narrengericht verpasst hat und nicht bis 2027 warten will, hat am Donnerstag ab 12:30 Uhr noch mal dazu Gelegenheit. Ansonsten gibt es aber auch am Sonntag eine ausführliche Reportage in der RTF.1-Sendung „Vor Ort".

WERBUNG:



Seitenanzeige: