Tafel Gmindersdorf | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen-Betzingen:

Tag des offenen Denkmals - Führung durch ehemalige Arbeitersiedlung Gmindersdorf

Stand: 11.09.22 17:01 Uhr

Jedes Jahr am zweiten Sonntag im September findet bundesweit der Tag des offenen Denkmals statt. Aus diesem Anlass führte Historiker Holger Lange Interessierte am Sonntag durchs Gmindersdorf in Reutlingen. Die ehemalige Arbeitersiedlung wurde im Jahr 1903 vom Textilunternehmen Ulrich Gminder GmbH gebaut und gilt als Beispiel für frühen sozialen Wohnungsbau.


Hier, entlang der Straße zwischen Reutlingen und Betzingen, befand sich früher die Fabrik der Ulrich Gminder GmbH. Im Jahr 1964 wurde das Unternehmen an Bosch verkauft, auch heute noch gehört das Gelände zu Bosch.

Am Tag des offenen Denkmals konnte zwar nicht die ehemalige Ulrich Gminder GmbH besichtigt werden, dafür aber die dazugehörige ehemalige Arbeitersiedlung, besser bekannt als „Gmindersdorf".

"Es gab um 1900 in Reutlingen eine große Wohnungsnot. Der Gminder wollte den 10h-Arbeitstag einführen und da hat er Arbeitskräfte gebraucht. Weil es hier die Wohnungsnot gab, musste er für die Arbeiter, die er angeworben hat, Wohnraum schaffen. Und so ist das Gmindersdorf entstanden", erklärt Holger Lange.

Lange ist der heutige Führer durch das Gmindersdorf. Zahlreiche Interessierte versammelten sich schon am Sonntagmorgen, um mit ihm das Gmindersdorf zu erkunden.

Gleich am Anfang erzählt Lange von einer Besonderheit im Gmindersdorf: Die Fensterläden. Jedes Haus hat andere, in verschiedenen Farben und Formen. Der Legende nach dienten sie dazu, dass die Arbeiter nach einem Feierabendbier auch im angetrunkenen Zustand ihr Haus wiederfinden konnten.

Holger Lange weiß aber auch einiges über die damaligen Wohnungen: "Die waren um die 60-80m2 groß, abhängig von der Familiengröße. Die Leute mussten, wenn jemand gestorben war, in eine kleinere Wohnung umziehen und wenn jemand dazukam, haben sie eine größere Wohnung bekommen."

In den meisten Wohnungen gab es einen Buffetschrank, Tisch, Stühle und ein Bett, dass sich mehrere Kinder teilen mussten. Wer früher im Gmindersdorf wohnte, musste aber auch viele Regeln beachten: "Die Regeln waren ziemlich streng, z.B. gab es damals ein Plumpsklo und die Grube durfte erst abends ab 21 Uhr geleert werden wegen dem Geruch", so Lange.

Als Bosch 1964 die Textilfabrik Gminder kaufte, gelangte auch das Gmindersdorf mitsamt den Arbeitern in den Besitz von Bosch. Zunächst wollte Bosch das Gmindersdorf abreißen, später sollte der Name zu "Robert Bosch Siedlung" geändert werden - beide Versuche scheiterten.

Schließlich hat sich Bosch dazu entschieden, die Häuser für einen günstigen Preis an die Arbeiter zu verkaufen. Seitdem haben sich die Häuser kaum verändert, sodass sie auch heute noch an die damalige Zeit erinnern.

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