Ticketautomat | Bildquelle: RTF.1

Nahverkehr:

Organisationen fordern Verlängerung des 9-Euro-Tickets - Lokführer dagegen

Stand: 31.07.22 09:46 Uhr

Ein breites Bündnis von Jugendorganisationen und weitere Verbände fordert von der Bundesregierung die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets bis mindestens Ende des Jahres. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer spricht sich dagegen aus.

Langfristig soll der ÖPNV bundesweit kostenlos gestaltet werden, fordert ein Bündnis aus Naturfreundejugend, Deutscher Bundesjugendring, DGB-Jugend, EVG Jugend, Naturschutzjugend, BUNDjugend, Jusos, Grüne Jugend, Linksjugend ['solid] und Fridays for Future. Diese Maßnahmen sollen mit massiven Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur und den Aufbau von mehr Personal einhergehen.

"Eine Rückkehr zu den alten Ticketpreisen ab September wäre in der jetzigen Krisensituation ein Desaster", so Wendelin Haag, Bundesvorsitzender der Naturfreundejugend Deutschlands. "Mobilität ist ein Grundrecht und gerade für junge Menschen eine wichtige Voraussetzung für Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe. Verkehrsminister Wissing kann jetzt zeigen, dass ihm die Freiheit junger Menschen ein Anliegen ist. Denn diese Freiheit ist durch hohe Energiepreise und die Klimakrise massiv bedroht. Ein entgeltfreier öffentlicher Personennahverkehr wäre die richtige Maßnahme zum Einstieg in die Mobilitätswende."

Für die Finanzierung der Maßnahmen fordern die Jugendorganisationen von Umweltverbänden, Gewerkschaften, mehrerer Parteien und der Klimabewegung, in denen sich viele Millionen junge Menschen engagieren, die Nutzung von Geldern aus umweltschädlichen Subventionen, deren Streichung bereits im Koalitionsvertrag verankert ist.

Derzeit ist der Verkehrssektor für 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. In den letzten Jahrzehnten wurden die Klimaziele im Verkehr dauerhaft verfehlt. Hinzu kommen Flächenversiegelung, Ressourcenverbrauch, Luft- und Lärmverschmutzung. Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, ist eine sozial und ökologisch ausgestaltete Mobilitätswende entscheidend.

VCD: "Diese Chance darf nicht verspielt werden!"

Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert ein Nachfolgeangebot: Er hat Bundesverkehrsminister Wissing in einem Offenen Brief zum Handeln aufgefordert - die Chance für die Verkehrswende dürfe nicht verspielt werden.

Das 9-Euro-Ticket sei ein voller Erfolg; über 20 Millionen Menschen zusätzlich fahren seit dessen Einführung Bus und Bahn. Wie dieser Schwung für die Verkehrswende dauerhaft genutzt werden kann, zeigen laut VCD die zahlreichen Vorschläge für eine Nachfolgeregelung, die Verkehrs- und Umweltverbände in den letzten Wochen aufs Tapet gebracht hätten. Allein die Politik zögert, von der Bundesregierung geht bislang keinerlei Initiative aus.

Die Vorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Kerstin Haarmann, hat sich deshalb mit einem Offenen Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gewendet. Haarmann fordert Wissing auf, gemeinsam mit den Ländern bis spätestens 1. November ein Nachfolge-Ticket auf den Weg zu bringen. Für die Zwischenzeit fordert der VCD eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets. "Sie dürfen die Chance auf eine klimaschonendere Mobilität nicht versäumen und sollten deshalb unverzüglich eine einfache, für alle bezahlbare und vor allem dauerhafte Anschlusslösung einführen", so Haarmann in dem Brief.

Wichtig ist für den VCD, dass die Nachfolgelösung ein Sozialticket enthält, das Geringverdienende, Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studierende entlastet und maximal 30 Euro im Monat kostet.

Darüber hinaus fordert Haarmann in dem Brief Milliarden-Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Denn "wo weder Bus noch Bahn fährt, nützt auch ein günstiges Ticket nichts."

GDL-Chef: "Kann nur abraten"

Das 9-Euro-Ticket sollte nach Ansicht der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL) nicht verlängert werden.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Claus Weselsky, sagte im rbb24 Inforadio: "Mit diesem 9-Euro-Ticket, mit dem eigentlich die Pendler entlastet werden sollten, haben wir zusätzlichen Verkehr in die Eisenbahn hineingebracht, zusätzliche Reisenden-Anstürme. Das tut dem System nicht gut, weil es sowieso schon auf Verschleiß gefahren wird. Jetzt sind wir zusätzlich noch völlig überlastet."

Er könne von einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets nur abraten, sagte Weselsky. "Wir verhökern hier etwas, wir tun so, als wäre Nahverkehr umsonst. Das bedeutet doch am Ende des Tages, dass das ein wertloses Produkt ist. Im Gegenteil: Wir müssen das zu einem vernünftigen Preis, allerdings auch übergreifend, sprich bundesweit, ein ordentliches Ticket für den Nahverkehr, für die Pendler zum Tragen bringen." Das was jetzt passiere, könne Pendler eher abschrecken, so der GDL-Chef. Stattdessen gebe es Touristenströme zur Ostsee.

Weselsky forderte außerdem, die Bahn solle sich auf ihr Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren. Die weltweite Expansion als Logistikunternehmen halte er für falsch. Er könne sich einen Verkauf der Logistiksparte DB Schenker vorstellen: "Wir sind kein Logistiker, wir sind eine Eisenbahn. Ein Teil des gesamten Logistiksystems. Und wir müssen nicht alles bedienen, sondern wir müssen erstmal unsere Hausaufgaben machen: Eisenbahn in Deutschland - sicher, zuverlässig und pünktlich. Das ist die Kernbotschaft."

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