Boris Palmer & Helmut Kress | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Empfang & Entschädigung - Stadt bittet um Entschuldigung bei Helmut "Poldi" Kress

Stand: 26.06.22 00:40 Uhr

Helmut Kress haben einige als Inhaber der Alten Weinstube Göhner in Tübingen in Erinnerung. In den 60ern machte er eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung Tübingen. An seinem Arbeitsplatz wurde er 1961 verhaftet.


Sein Vergehen: ein Liebesbrief an einen Mann. Das hatte erhebliche Folgen für die weitere Laufbahn von Helmut Kress. Mehr als 60 Jahre später entschuldigte sich die Stadt für ihr damaliges Verhalten.

Queer durch Tübingen mit Helmut Kress

Inmitten der, derzeit im Tübinger Stadtmuseum zu sehenden Ausstellung "Queer durch Tübingen", die sich der Geschichte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen intergeschlechtlichen und queeren Menschen in der Universitätsstadt widmet, entschuldigte sich Oberbürgermeister Boris Palmer diese Woche bei Helmut Kress. Dieser war in den 60er Jahren, als Teenager, wegen eines Liebesbriefs verhaftet worden.

Ein Liebesbrief und seine Folgen: Anzeige, Verhaftung, Jugendarrest

Doch damit nicht genug. Aufgrund des verhängnisvollen Schriftstücks wurde Kress zu 14 Tagen Einzelhaft im Jugendarrest, in Oberndorf am Neckar, verurteilt. Möglich war dies aufgrund des damals im Gesetzbuch vorhandenen §175, der sogenannte homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte.

§175

Der Paragraph existiert seit 1871, wurde in der NS-Zeit jedoch noch verschärft. Die BRD übernimmt den Paragraph aus der Nazi-Zeit. Offiziell wird er erst im Jahr 1994 abgeschafft.

Rehabilitierung im Jahr 2017

Im Jahr 2017 stellt der deutsche Staat fest, dass es sich dabei um einen Unrechtsparagraphen handelt. Im Rahmen des Rehabilitationsgesetztes werden die noch lebenden Betroffenen entschädigt und juristisch rehabilitiert. So auch Helmut Kress. Er verlor aufgrund des Unrechtsparagraphen als 16-Jähriger auch seine Arbeitsstelle bei der Stadt.

"Das ist grobes Unrecht!"

Tübingens aktueller Rathauschef verurteilt die Handlungen seines Vorgängers Hans Gmelin. Dass Gmelin den jungen Lehrling damals angezeigt habe, empfinde er als falsch, so Palmer. Was Kress aufgrund der unversendeten Liebesbotschaft seitens der Stadt widerfahren sei, sei "grobes Unrecht!", betonte der aktuelle OB. Eben deshalb sei es ihm auch ein persönliches Anliegen bei Helmut Kress um Entschuldigung zu bitten und ihn finanziell zu entschädigen.

Kress, der von den meisten Anwesenden im Kornhaus nur "Poldi" genannt wird, freut sich darüber, dass sich die Stadt nun offiziell bei ihm entschuldigt. Das sei wichtig, sagt er.

"Ich bin ein Stehaufmännchen!"

Wütend oder verbittert scheint Kress, wegen dem was ihm widerfahren ist, nicht. Im Gegenteil. Er sei immer ein Steh-auf-Männchen gewesen, erzählt er.

Keine zwei Leben leben

Mit seiner Lebensgeschichte geht er offen um. Er engagiert sich unter anderem in der Bildungsarbeit. Jungen Menschen möchte er in Bezug auf ihre Sexualität mitgeben, dass sie damit offen und ehrlich umgehen, sich nicht verstecken. Keine zwei Leben leben. Denn das mache einen kaputt. 

Die Ausstellung „Queer durch Tübingen", in der Interessierte noch mehr über das Leben von Helmut „Poldi" Kress erfahren können ist noch bis zum 17. Juli im Stadtmuseum zu sehen.


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