Rückblick mit OB Keck | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Corona-Demos und Haushaltskrise: Oberbürgermeister Keck blickt auf 2021 zurück

Stand: 09.01.22 22:18 Uhr

Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter Reutlingen. Doch vor allem zwei Dinge prägten die größte Stadt der Region: Zum einen die Corona-Krise mit ihren Begleiterscheinungen. Dazu gehörten auch die Demonstrationen sogenannter Querdenker. Zum anderen die klamme Stadtkasse. Im September beanstandete das Regierungspräsidium Tübingen sogar den Reutlinger Doppelhaushalt. Ein historisch einmaliger Vorgang. Historisch sind auch die Porsche-Gewerbeansiedlung in Reutlingen-Nord und die erste weibliche Chefdirigentin der Württembergischen Philharmonie.


Proteste gegen Corona-Maßnahmen im Dezember

Bis zu 1.500 Menschen gingen bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen am 11. Dezember 21 auf die Straße. Die Aufzüge erreichten überregionale Bekanntheit – bis es der Stadt und dem Landkreis zu bunt wurde. Da Maskenpflicht und Abstandsgebot nicht eingehalten wurden, wurden die Versammlungen für den 18. Dezember verboten. Sie fanden trotzdem statt. Begleitet von massivem Polizeieinsatz. Die Polizisten stellten die Personalien fest, die Teilnehmer bekamen von der Stadt Bußgeldforderungen.

"Wir werden von daher den Druck erhöhen", so Oberbürgermeister Thomas Keck, "aber gleichzeitig werden wir versuchen, ins Gespräch zu kommen." So könne man vielleicht eine Einigung herstellen, dass sich wenigstens an das Maskengebot gehalten werde.

Finanzielle Probleme der Stadt

Schwierig auch die haushaltspolitische Lage. Im Juni hatte der Gemeinderat einen Haushalt verabschiedet, der zwar genehmigungsfähig, aber auf Kante genäht war. Dann im September die Nachricht aus dem Regierungspräsidium: Der Haushalt wurde beanstandet. Verwaltung und Gemeinderat mussten nachsitzen. "Jetzt müssen wir restrukturieren." Die Stadt hat ein Haushaltssicherungskonzept entworfen, das bis 2025 aufgelegt ist und aus der finanziellen Talsohle herausführen soll.

Doch die finanziellen Probleme seien strukturell bedingt, so Keck. Man habe die Ausgaben einer Großstadt, aber die Einnahmen einer mittleren Stadt. Nur eine gezielte Industrieansiedlungspolitik könne das ändern. Und da verbuchte Reutlingen 2021 einen historischen Erfolg. Im gemeinsamen Industriegebiet mit Kirchentellinsfurt, soll eine Akku-Produktionsstätte für Elektrofahrzeuge entstehen – gebaut von einem Porsche-Tochterunternehmen. "Das ist schon ein Meilenstein", freut sich Keck. Es sei eine relativ harte Verhandlung hinter den Kulissen gewesen, aber letztendlich sei es gelungen.

Künftige Projekte: Regionalstadtbahn und Oberamteistraße

Neue Technologien will die Stadt auf dem ehemaligen Willi-Betz-Gelände ansiedeln. Hier geht es um Industrie 4.0 und KI. Im Mittelpunkt der Innoport, ein Raum für Tüftler, Startups und Innovationen. So war es nur folgerichtig, dass die Gründermesse Neckar-Alb auch dort an diesem Zukunftsort stattfand.

Ein weiteres Zukunftsprojekt: die Regionalstadtbahn. Im November war Spatenstich. Doch während in Tübingen die Bürgerschaft die Innenstadtstrecke abgelehnt hatte, geht es in Reutlingen vielmehr um die Frage: Soll die Strecke durch die Lederstraße oder durch die Gartenstraße führen? Die Entscheidung soll Anfang 2022 fallen. Ein Aus für die Innenstadtstrecke: in Reutlingen eher unwahrscheinlich.

"Viele Menschen, auch ich, erinnern sich noch an das sagenhafte Straßenbahnnetz, das wir mal hatten." Es verlief von Reutlingen nach Eningen, wurde auch nach Pfullingen und Oferdingen erweitert - und dann Mitte der 70er Jahre abgebaut.

Eine verkehrspolitische Fehlentscheidung, so Keck. Um so wichtiger, dass die Reutlinger RSV-Busse jetzt wieder komplett der Stadt Reutlingen gehören. Und dass das Fahrradnetz immer weiter ausgebaut wird. Jetzt auch mit einer Querung der Karlstraße. Sie füllt eine der letzten Lücken im Radwegenetz. All das soll dem Klimaschutz zugute kommen.

Denn auch die Folgen des Klimawandels hat die Stadt 2021 zu spüren bekommen – vor allem beim Hochwasserereignis im Juni im Norden der Stadt. Allein an der Echaz in Betzingen habe man im Jahr 2021 Millionen Euro für den Hochwasserschutz verbaut.

Eine weitere Baustelle schon seit Jahren: die Oberamteistraße. Bei der einsturzgefährdeten Häuserzeile, eine der ältesten in Deutschland, wird die Zeit langsam knapp: dass die überhaupt noch stehe, grenze an ein Wunder, so Keck. "Wir können nicht mehr warten. Es ist eigentlich 5 nach 12."

Doch jetzt gibt es Geld vom Bundesinnenministerium. 3,4 Millionen Euro. Damit soll der Stütz- und Erschließungsbau errichtet werden, eine Fachwerkkonstruktion mit Glas.

Bereits eingeweiht und in diesem Jahr feierlich eröffnet worden ist der Echazhafen, Reutlingens jüngste Eventlocation. Und die Reutlinger Philharmonie hat eine neue Chefdirigentin, die Französin Ariane Matiakh. Keck beschreibt sie als eine absolute Ausnahmekünstlerin. Er freut sich deshalb, wieder ins Konzert zu gehen.

Für das kommende Jahr hofft Thomas Keck auch, dass der Schwörtag wieder stattfinden kann. Zum ersten Mal, seit er zusammen mit den Schwörtagen in Ulm und Esslingen in die nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

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