„Aus therapeutischer Sicht ist besonders interessant, dass sogar bereits vernarbtes Gewebe seine Funktionsfähigkeit zum Teil zurück gewann. Bisher hielt man diesen Prozess für unumkehrbar", so Seniorautor Professor Dr. Peter Nawroth, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie Heidelberg. „Diese Erkenntnis liefert uns erstmals einen vielversprechenden Ansatzpunkt, um diabetische Spätschäden zukünftig nicht nur zu stoppen, sondern möglicherweise auch heilen zu können."
Die Stoffwechselerkrankung Diabetes gibt Wissenschaftlern und Ärzten nach wie vor Rätsel auf: So ist bis heute nicht verstanden, welche Krankheitsmechanismen zu Spätschäden wie Nierenversagen, Erblindung oder Vernarbungen des Lungengewebes (Lungenfibrose) führen. In der nun veröffentlichten Arbeit gelang es dem Team um Erstautor Dr. sc. hum. Varun Kumar, Universitätsklinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie Heidelberg und Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, erstmals bei Mäusen mit Diabetes Typ I sowie Diabetes Typ II, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den gestörten, für Körperzellen aber essentiell wichtigen DNA-Reparaturmechanismen und den zunehmenden Gewebeschäden herzustellen.
In einer 2017 publizierten Arbeit hatten Kumar und Kollegen bereits entdeckt, dass das körpereigene Protein RAGE (Receptor of Advanced Glycation Endproducts) eine tragende Rolle bei der DNA-Reparatur spielt und auch die Ausheilung von Gewebeschäden fördert. Nun untersuchten sie die Wirkung des Proteins bei Diabetes-Mäusen: Sie schleusten den genetischen Bauplan für RAGE mit Hilfe veränderter Viren in die Lungen und Nieren der Mäuse ein. „Diese Gentherapie brachte den Erfolg: Die DNA-Reparatur normalisierte sich und die Organe heilten", so Kumar. Wie das vernarbte Organgewebe allerdings seine Funktionsfähigkeit zurückgewinnt, ist noch unklar: „Wir vermuten, dass dabei möglicherweise einwandernde Stammzellen eine Rolle spielen", so der Mediziner.
„Unsere Ergebnisse werfen ein völlig neues Licht auf diabetische Spätschäden: Sie sind weniger eine Frage des gut oder schlecht eingestellten Blutzuckerspiegels, sondern als Syndrom einer gestörten DNA-Reparatur anzusehen", erläutert Nawroth. „Je nach angeborener Qualität und Leistungsfähigkeit dieser Reparaturmechanismen treten beispielsweise Nieren- oder Lungenschäden beim jeweiligen Patienten früher oder später auf. Wir müssen daher einen Weg finden, bei Diabetikern die geschädigten Organe auf dieser Ebene zu unterstützen."
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