Gemeinderatssitzung Tübingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Gemeinderat distanziert sich von Palmers Äußerungen

Stand: 15.05.20 15:57 Uhr

Bei der Tübinger Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend stimmten die verschiedenen Fraktionen über eine ganz bestimmte Resolution ab. Es ging darum, ob sich der Gemeinderat von Palmers umstrittenen Äußerungen im Frühstücksfernsehen offiziell distanziert. Das Ergebnis fiel am Ende mit großer Mehrheit eindeutig aus.


Die erste Online-Gemeinderatssitzung begann mit einem Thema, das sogar auf Bundesebene bereits heftig diskutiert wurde: Palmers umstrittene Äußerungen im Frühstücksfernsehen. Der Tübinger Gemeinderat will sich nun von diesen Äußerungen distanzieren und hat dazu eine Resolution veranlasst, über die in der Sitzung abgestimmt wurde.

Die erste Fraktion, die dazu Stellung nahm, war die SPD. Fraktionsvorsitzender Dr. Martin Sökler kritisierte, dass der Satz auf inhaltlicher Ebene falsch sei. Es gebe Studien die beweisen würden, dass Menschen, die aufgrund von Corona sterben, oftmals noch 10-13 Jahre zu leben hätten und nicht nur noch wenige Monate, wie Palmer in seiner Aussage darlegte.

Nichtsdestotrotz stehe die SPD-Fraktion hinter Palmer, wenn es sich um die vielen Morddrohungen oder Drohbriefe handelt, die sich an ihn und seine Familie richten. Eine solche Verhandlung müsse laut Sökler hart, aber trotzdem fair bleiben.

Dieser Meinung schloss sich auch Ulrike Ernemann vom CDU-Kreisverband an. Sie will Palmer nicht unterstellen, dass es seine Intention war, das Leben älterer Leute als nicht schützenswert darzustellen, kritisierte aber seine Ausdrucksweise. Indem er seine Aussage mit den Worten "Ich sage es mal brutal" begann, habe er bewusst in Kauf genommen, dass sie falsch verstanden oder interpretiert wird.

Durch Palmers Aussage seien die guten Leistungen, die die Stadt Tübingen während der Krise erbrachte, wie z.B. die Zurückstellung der Kitagebühren, vollständig in den Hintergrund geraten, so Ernemann weiter.

Die nächste Sprecherin, Gerlinde Strasdeit von den Linken, schloss sich ebenfalls den Aussagen ihrer Vorredner an. Die "medialen Fehltritte" von Palmer seien nicht nur ein Problem für die Grüne Partei, sondern auch für die Stadtgesellschaft und für den Tübinger Gemeinderat. Beleidigungen und Gewaltandrohungen gegen Palmer weise aber auch sie selbstverständlich zurück. Mit den Aussagen, die Boris Palmer von sich gebe, spreche er nicht im Namen der Linken, erklärte Strasdeit abschließend.

Dietmar Schöning von der FDP ist der Meinung, dass Palmer bereits lange genug als Politiker tätig sei, um zu wissen, dass solche Aussagen oftmals Nebenwirkungen mit sich bringen würden. Er habe den Fehler gemacht, verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufzuspielen, außerdem sei seine Aussage inhaltlich falsch. Durch das Aufspielen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander werde sogar der innere Frieden der Stadt gefährdet, so Schöning weiter.

Nur Palmers eigene Fraktion, die Fraktion AL/Grüne, äußerte sich gegen die Resolution. Sprecherin Asli Kücük stellte zwar klar, dass auch sie Palmers Aussage vehement ablehne, aber im Gesamtzusammenhang deutlich werde, dass er bloß eine Debatte anstoßen wollte. Es ginge ihm nicht darum, alten Menschen das Recht auf medizinische Behandlung zu verweigern oder das Recht auf Leben abzusprechen.

Am Ende stimmten 23 Mitglieder des Gemeinderats für die Resolution, elf dagegen. Sechs enthielten sich, darunter auch Oberbürgermeister Boris Palmer selbst. In einer Stellungnahme für den Gemeinderat bat Palmer, von der Resolution Abstand zu nehmen. Niemals habe er nahelegen wollen, dass das Leben älterer Menschen weniger Wert sei.

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