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Berlin:

"Schwere Pflichtverletzung": Umstrittener Vorschlag zu Managerhaftung

Stand: 03.03.20 09:55 Uhr

Kaum Zustimmung bei den Sachverständigen hat ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Änderung des Aktiengesetzes bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag gefunden. Danach sollen Manager bei schweren Pflichtverletzungen stärker persönlich haften. Dies soll über eine Änderung des Paragrafen 148 des Aktiengesetzes erfolgen, die es Kleinaktionären erleichtern soll, Haftungsklagen im Namen der Gesellschaft gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zu erheben.

Wie Gregor Bachmann von der juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität erläuterte, ist die Auslobung einer Erfolgsbeteiligung in Höhe von fünf Prozent der ausgeurteilten Haftsumme Kern des Entwurfs. Ein solcher Vorschlag sei bereits vom 70. Deutschen Juristentag 2014 diskutiert und einmütig abgelehnt worden. Auch der jetzige Gesetzesvorschlag verdiene jedenfalls in der gegenwärtigen Form und zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Unterstützung. Zwar sei er geeignet, die Aktionärsklage attraktiver zu machen und so zu einer verschärften Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen zu führen. Ein gravierendes Rechtsdurchsetzungsdefizit, das einen solchen Schritt rechtfertigte, sei aber nicht zu erkennen. Vielmehr drohten mit der Ermunterung von Aktionärsklagen Kollateralschäden.

Bachmann wie auch andere Sachverständige sprachen sich dafür aus, die Organhaftung als Paket zu reformieren und dafür eine Expertengruppe einzusetzen. Um mögliche Reformschritte drehten sich auch die Fragen der Abgeordneten.

Cordula Heldt vom Deutschen Aktieninstitut argumentierte gegen eine weitere Verschärfung der Organhaftung. Im Gegenteil sollten die geplanten Maßnahmen seitens der EU-Kommission zur Neudefinition des Unternehmensinteresses genau beobachtet werden und das Organhaftungsregime gegebenenfalls entschärft werden. Wie Heldt in ihrer Stellungnahme ausführte, sieht das Aktiengesetz bereits eine strenge Haftung für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vor. Die Organmitglieder hafteten persönlich mit dem gesamten Privatvermögen.

Daniel Lochner, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht aus Bonn, erklärte, das durch den Gesetzentwurf skizzierte Bild eines fast vollständigen praktischen Versagens des Organhaftungsrechts entspreche nicht den Tatsachen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeige, dass für Manager das tatsächliche Risiko deutlich gestiegen ist, für rechtswidriges Verhalten in Haftung genommen zu werden. Dies sei durch den Gesetzgeber in den letzten Jahren durch mehrere Reformen gefördert worden. Die vorgeschlagenen Änderungen seien ungeeignet, die existierende Regelung funktionaler zu gestalten.

Eric Nowak, Direktor des Swiss Finance Institute, sprach in seiner Stellungnahme von einer Regelungslücke des Aktienrechts. Der Entwurf sei in seiner jetzigen Form aber abzulehnen. Das Problem bestehe in den unzureichenden Anreizen für Aktionäre, gegen schwere Pflichtverletzungen der Vorstände ihrer Gesellschaften Haftungsansprüche geltend zu machen. Die vorgeschlagene Lösung, die Aktionäre, die sich am Klagezulassungsverfahren beteiligen, im Erfolgsfall der Klage zu fünf Prozent an den Einnahmen zu beteiligen, die der Gesellschaft durch Zahlungen der Beklagten zufließen, wäre allerdings ein überproportionaler Anreiz, der zu einer Vielzahl von Klagen führen könnte. In der Folge könnte eine solche Regelung mehr der anwaltlichen Beratungsindustrie als den Aktionären nützen.

Nach Meinung des Kölner Rechtsanwalts Lasse Pütz bricht der Gesetzentwurf mit tragenden Grundsätzen des Aktienrechts. Die Vorlage sollte in der vorliegenden Form nicht verabschiedet werden. Es sei nicht erkennbar, so Pütz, dass es aktuell einer Novellierung des Paragrafen 148 bedarf. Im Gegenteil, eine ausschließliche Novellierung dieses Paragrafen könnte das derzeitige System der Corporate Governance dahingehend verschieben, dass sogenannten räuberischen Aktionären wieder eine größere Bedeutung zukommt und aktivistische Aktionäre gestärkt werden.

Diese Gefahr sieht auch die Münchener Rechtsanwältin Viola Sailer-Coceani. In Deutschland sei seit einiger Zeit eine erhebliche Zunahme professionalisierter Massenklageverfahren zu beobachten. Mit ihrem Übergreifen auf das Aktienrecht wäre dem Interesse der deutschen Aktiengesellschaften und auch dem ihrer Aktionäre nicht gedient. Sailer-Coceani bezeichnete es als zutreffend, dass das Klagezulassungsverfahren gemäß Paragraf 148 bislang in der Praxis nahezu keine Rolle gespielt habe. Eine moderate Anpassung des Paragrafen könne daher durchaus erwogen werden, sollte dann allerdings mit einer rechtspolitischen Diskussion des Vorstandshaftungsrechts insgesamt verbunden werden.

Der ebenfalls geladene Wirtschaftswissenschaftler Ekkehard Wenger, ehemaliger Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Bank- und Kreditwirtschaft der Universität Würzburg, war krankheitsbedingt nicht zur Anhörung erschienen, hatte aber eine Stellungnahme eingereicht. Darin erklärte er, die Stoßrichtung der Gesetzesinitiative sei grundsätzlich zu begrüßen. Ohne wirksame Klagerechte der Aktionäre im Fall von Pflichtverletzungen von Organen fehle dem Aktienrecht ein wesentliches Sanktions- und Präventionselement. Derzeit sei die Anreizstruktur für Streubesitz-Aktionäre im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatz für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern nicht nur unzureichend ausgestaltet, sondern wirke sogar abschreckend.

In ihrem Gesetzentwurf schreibt die AfD-Fraktion unter anderem, dass aktuell eine Minderheit von Aktionären das Recht habe, Haftungsansprüche gegen einen Vorstand geltend zu machen. Diese Regelung habe jedoch keinen Anstieg von Haftungsklagen bewirkt. Die Fraktion sieht den Grund vor allem darin, dass klagewillige Aktionäre für ihr Engagement nicht belohnt würden und im Fall der Abweisung einer Klage sogar auf den Kosten sitzen bleiben würden.

Quelle: PM Deutscher Bundestag (hib/MWO)

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