Buch Doris Rothmund | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

"Ein rabiater Liebhaber der Stille" − Roman über das tragische Leben von Eugen Gottlob Winkler

Stand: 29.01.19 18:30 Uhr

Tübingen − die Stadt der Dichter und Denker. Hier lebten und wirkten nicht nur Größen wie Eduard Mörike und Hermann Hesse. Hier verbrachte auch der eher unbekannte Literat Eugen Gottlob Winkler einen Teil seines Lebens. Ihn hat die Cannstatter Autorin Dr. Doris Rothmund jetzt als Vorlage für ihren neuen Roman genommen. In ihm erzählt sie die tragische Geschichte des Schriftstellers W. − keine exakte Biografie Winklers aber doch nah an der Realität. "Ein rabiater Liebhaber der Stille" lautet der Titel.

Hier ist der Anfang vom Ende des Schriftstellers W. Das heute indische Restaurant in der Gartenstraße ist 1933 noch die Weinstube Bechtle, wo W. – wie Winkler tatsächlich auch – oft anzutreffen ist. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, als ein zehn-jähriges Mädchen ihn beschuldigt, ein Wahlplakat abgerissen zu haben. Darauf wird W. festgenommen, später aber aus Mangel an Beweisen freigelassen. Von diesem Tag an sei er Rothmund zufolge irgendwie gebranntmarkt gewesen und habe immer Angst gehabt, dass ihm sowas wieder passieren könnte. Wie so viele junge Leute seiner Generation habe er eigentlich eine Schattenexistenz geführt, denn er hätte mit dieser Biografie auch kaum noch Chancen zum Lehrer gehabt. 

1936 beendete Eugen Gottlob Winkler sein Leben. Seine Lebensgeschichte schildert in Rothmunds Roman ausgerechnet jenes Mädchen, inzwischen als alte Frau, das sein Unglück angestoßen hat. Es seien also praktisch drei Perspektiven: Die Perspektive der alten Frau auf den W. und die Perspektive der alten Frau auf ihre Kindheit, so wie sie sich gesehen habe. Aber es ist kein allwissender Erzähler, so die Schriftstellerin. Wenn das Mädchen in der Gaststätte sei, dann könne sie ihn ja sehen. Und später werde das Mädchen dann Bibliothekarin, dann könne sie seine Bücher lesen und darüber berichten. Das sei also eine Perspektive, die praktisch ihn im öffentlichen Raum sehe.

Eine wichtige Rolle spielt auch das heutige Café Bellevue am Neckar, damals ein angesehenes vegetarisches Restaurant. Vor seiner Verhaftung kehrt Schriftsteller W. dort oft ein, worauf das über der Weinstube Bechtle lebende kleine Mädchen eifersüchtig wird. Der Autorin zufolge werde auch häufig geschildert, wie sie ihn abends verfolge auf der Plataneninsel, und wie er da unter den Weiden jemanden treffen und sie nicht genau sehen könne, was die da unter den langen Weiden eigentlich machen würden. Und wie sie ihm einen Bierdeckel im Restaurant geben würde, wo sie einen Treffpunkt im Hölderlinturm ausmache. Wo er dann aber nicht kommen würde. Ausführlich beschreibt Rothmund nicht nur die Plataneninsel am Neckar.


Auch die Münzgasse dreizehn kommt in ihrem Roman vor. Dort hängt besagtes Plakat, das W. abgerissen haben soll. Rothmund habe sich das Haus ausgesucht, weil das eine ganz merkwürdige, unheimliche Geschichte habe. 1933 sei es noch ein uraltes Studentenheim gewesen. 1936 – es sehe ja auch heute noch ein bisschen unheilvoll aus – sei es dann das Gestapo-Hauptquartier geworden. Und ab 1942 seien dort die Judentransporte nach Theresienstadt und Auschwitz organisiert worden.

"Ein rabiater Liebhaber der Stille" – Rothmund hat ihren Roman nicht speziell für Germanisten geschrieben, sondern für alle, die sich vor allem für regionale Geschichte interessieren. Das Buch kostet 14,50 Euro.

WERBUNG:



Seitenanzeige: