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Papst und Gauck eröffnen 100. Katholikentag - Bundespräsident: Christen sollen Handeln, nicht jammern

Stand: 25.05.16 23:11 Uhr

Mit einer Videobotschaft von Papst Franziskus ist am Mittwochabend der 100. Deutsche Katholikentag in Leipzig eröffnet worden. Auf Deutsch rief Franziskus zu einem friedlichen Miteinander, Solidarität mit Alten, Kranken und Flüchtlingen sowie zu mehr Umweltbewusstsein auf. Nicht das Tun oder der äußere Erfolg zählten, "sondern die Fähigkeit, stehen zu bleiben, hinzuschauen, aufmerksam zu sein" gegenüber dem "geschundenen Mitmenschen".

Der Papst kritisierte eine Gesellschaft, in der "andere über den Wert eines Lebens befinden" und Menschen "in Alter und Krankheit zum schnellen Sterben drängen". Arbeitslose oder Flüchtlinge würden "bloßgestellt, hin und her gestoßen und ihrer Würde beraubt". Das biblische Motto des Katholikentages "Seht, da ist der Mensch!" lenke den Blick auf den "leidenden und gemarterten Jesus" und damit auf das ganze Ausmaß von Gemeinheit und Brutalität. Es war das erste Mal, dass sich der Papst in deutscher Sprache an die Teilnehmer eines Katholikentages wandte. An der Eröffnungsparty auf dem Markt nahmen nach Veranstalterangaben rund 10.000 Menschen teil.

Bundespräsident Joachim Gauck ermunterte die Teilnehmer zu christlichem Engagement in der Gesellschaft. "Die Welt liegt im Argen. Aber da muss sie nicht liegenbleiben", zitierte er seinen Amtsvorgänger Johannes Rau. Angesichts der meist schlimmen oder bedrohlichen Nachrichten der jüngsten Zeit äußerte Gauck die Hoffnung: "Geschichte kann sich auch in eine gute Richtung entwickeln, nämlich in Richtung Verständnis, Toleranz, Versöhnung." Dies sage er auch "ganz bewusst im Jahr vor dem großen Jubiläum der Reformation".

Gauck räumte ein, der Zeitgeist wehe junge Menschen "nicht gerade ins kirchliche Engagement". Umso mehr aber hätten jene seine Hochachtung, die sich in der kirchlichen Jugendarbeit einsetzten. Gesellschaft und Staat seien dankbar "für den selbstlosen Einsatz vieler katholischer und evangelischer Christen für das Gemeinwesen", etwa in Caritas und Diakonie. Bei der Aufnahme und Hilfe für Flüchtlinge sei dies in den vergangenen Monaten wieder sehr deutlich geworden. Es passe nicht zu Christen, "Jammerlieder über die Schlechtigkeit der Welt anzustimmen". Die Katholikentage seien ein Forum zu überlegen, "was man tun kann", und mit dem Handeln anzufangen.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Thomas Sternberg, würdigte das kirchliche Engagement der Katholikentagsteilnehmer gestern und heute. "Hier trafen und treffen sich Menschen, deren Glaubensbekenntnis kein Lippenbekenntnis ist, sondern die sich im Beruf und Ehrenamt von einer ganz besonderen Idee, der Freude am Evangelium, leiten lassen." Christen seien "keine Sonderlinge und Phantasten", so Sternberg. Sie sollten mitwirken an einer gerechten Gesellschaft und sich für ein friedliches Miteinander einsetzen.

Alle Menschen mit ohne religiöses Bekenntnis seien "Geschöpfe Gottes" und sich untereinander verbunden. Daher sei die Würde des Menschen "nicht verhandelbar, in keiner Phase des Lebens und nirgends auf der Welt". Wenn Menschen nur in Deutschland Sicherheit vor Verfolgung und Not finden könnten, "dann sind sie herzlich willkommen", sagte der ZdK-Präsident. Von Leipzig müsse ein starkes Signal ausgehen, "ein Signal der Offenheit und Toleranz gegen jeden dumpfen Nationalismus".

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch bezeichnete den Leipziger Katholikentag als eine "Schule des Sehenlernens". Das biblische Motto "Seht, da ist der Mensch!" weise auf Jesus Christus und seine Botschaft: "In mir ist Gott euch nahe, wenn ihr blutig geschlagen oder lächerlich gemacht werdet und ausgestoßen seid." Gott lasse niemanden allein, so Koch: "Gläubige und Nichtgläubige, Junge und Alte, Kranke und Gesunde, Leistungsstarke und Schwache, Obdachlose und Flüchtlinge, Linke und Rechte."

Koch, der bis 2015 Bischof von Dresden-Meißen war, feiert an diesem Donnerstag einen Open-Air-Gottesdienst auf dem Leipziger Augustusplatz.

Die Eröffnungsfeier, an der auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, teilnahmen, mündete in einen "Abend der Begegnung". Unter dem Motto "So bunt ist unser Glaube" boten Stände in der Innenstadt Musik und kulinarische Spezialitäten aus den ostdeutschen Diözesen Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg.

Am Donnerstag nimmt der Katholikentag seine inhaltliche Arbeit auf. Der Fronleichnamstag, der in Sachsen anders als in vielen Bundesländern im Süden und Westen Deutschlands kein Feiertag ist, beginnt allerdings mit einer Eucharistiefeier am Augustusplatz, der der frühere Dresdner Bischof und heutige Berliner Erzbischof Heiner Koch vorsteht.

Der große Strauß der Veranstaltungen befasst sich unter anderem mit sozialen und gesellschaftlichen Fragen, den Anforderungen an die deutsche Außenpolitik und der Situation in der Ukraine. Am Nachmittag beteiligt sich Bundespräsident Joachim Gauck an einer Diskussion zum Thema "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?". Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) debattiert mit über die Anforderungen an die Kirche in Ost und West. Um die ungleiche Verteilung der Vermögen in Deutschland geht es ebenso wie um den Umgang der Kirche mit ihrem Geld. Gleich zwei Auftritte hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU). Das Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken debattiert unter anderem mit dem Leipziger Künstler Michael Triegel über Menschenbilder in der Kunst.

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