Leipzig | Bildquelle: Pixabay.com

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Katholikentag in der Diaspora - 52 Prozent der Ostdeutschen sind Atheisten

Stand: 24.05.16 22:29 Uhr

"Ostdeutschland ist einer der gottlosesten Fleckchen dieser Erde. Drei Viertel der Menschen hier gehören keiner Religion an." So schrieb vor wenigen Monaten die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". In dieser massiven Minderheitensituation begehen die deutschen Katholiken ihren 100. Deutschen Katholikentag: in der Messestadt Leipzig, die zum Bistum Dresden-Meißen gehört.

Nach einer 2012 veröffentlichten Studie sind 52 Prozent der Menschen in Ostdeutschland Atheisten. Das ist - zusammen mit Tschechien - ein globaler Spitzenwert. Und innerhalb Ostdeutschlands hat Sachsen-Anhalt die wenigsten Kirchenmitglieder. Nur 14 Prozent sind in der evangelischen Kirche, nicht einmal vier Prozent in der katholischen. Die fünf katholischen Bistümer auf dem Gebiet der früheren DDR zählen rund 814.000 Katholiken, davon 408.000 in Berlin.

In Leipzig selber sind rund vier Prozent der 520.000 Einwohner katholisch und etwa zwölf Prozent evangelisch. "In Leipzig gehören 80 Prozent keiner Konfession an", hat der frühere Dresdner Bischof Heiner Koch konstatiert. "Und zwar nicht, weil sie sich über Badewannen ärgern, sondern weil das seit Generationen so ist." 40 Jahre den Atheismus predigender Sozialismus hätten Spuren hinterlassen. Allerdings gewinnt die Stadt durch Zuzug und durch Taufe Katholiken hinzu. Als sichtbares Zeichen eines Aufbruchs ist der Neubau der Propsteikirche als zentrales katholisches Gotteshaus entstanden.

Der Katholikentag greift diese Situation bewusst auf. Erstmals gibt es einen Themenbereich "Leben mit und ohne Gott", der sich den Dialog mit Konfessionslosen zum Ziel gesetzt hat. Der Eintritt zu den entsprechenden Workshops, Vorträgen und Podien ist kostenfrei. Daneben soll es in der Innenstadt verschiedene Aktionen und Orte zu Begegnung und Gespräch geben.

Politikwissenschaftler verweisen allerdings darauf, dass die Christenquote unter den ostdeutschen Politikern überdurchschnittlich hoch ist: Angela Merkel, Joachim Gauck, Manuela Schwesig, Katrin Göring-Eckardt, Johanna Wanka, Wolfgang Thierse, Stanislaw Tillich, Bodo Ramelow, Erwin Sellering, Dietmar Woidke und Reiner Haseloff - Nicht nur alle Ministerpräsidenten, sondern auch beinahe alle in der Bundespolitik einflussreichen Ostdeutschen gehören einer Kirche an. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) ist zwar "überhaupt nicht religiös erzogen worden", wie sie einmal erzählt hat, inzwischen aber tiefgläubig. "Ich ziehe sehr viel Kraft aus meinem Glauben, genieße das gemeinsame Beten und Singen im Gottesdienst", sagte die 41-Jährige.

Christiane Frantz, Politik-Professorin von der Universität Münster, hat dieses Paradox erforscht. Die Christenquote unter den ostdeutschen Landtagsabgeordneten betrug in den ersten 15 Jahren nach der Wiedervereinigung jeweils mindestens 50 Prozent, zitiert sie die Wochenzeitung "Die Zeit". Der Anteil unter der ostdeutschen Bevölkerung war gerade einmal halb so hoch.

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