Günther Oettinger | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Geschlossene EU-Aussengrenzen: EU-Kommissar Günther Oettinger will europäische Grenzpolizei

Stand: 10.02.16 06:34 Uhr

Von 2004 bis 2009 war er baden-württembergischer Ministerpräsident. Seit 2009 sitzt er als Kommissar in der Eu-Regierung. Im Rahmen des derzeitigen Landtagswahlkamps hat Günther Oettinger jetzt die Region besucht. Als Gast im Tübinger Presse-Club beim SWR gab Oettinger unter anderem Einblicke in die Strategie der EU-Kommission zur Lösung der Flüchtlingskrise. Dabei warnte er nachdrücklich vor der Wiedererrichtung nationaler Grenzen. Öettinger äußerste sich dabei auch zur Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel.


EU-Kommissar Günther Oettinger „on Tour" in der Region: Termine als Wahlkampfhilfe für seine nach Jahrzehnten in die Opposition geratene Partei. Der immer schon bis ins Detail über sämtliche Themenfelder bestens informierte CDU-Politiker wird nicht nur in Brüssel hochgeschätzt.

Im Rahmen der Flüchtlingskrise hatte Oettinger früh die Merkel kritische Position bezogen,dass Deutschland eine Million Flüchtlinge mehr nicht verkraften könne und dass eine Rückkehr zum Dublin3-Abkommen unumgänglich sei. Dieses hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Verbund mit Österreich aus humanitären Gründen zunächst außer Kraft gesetzt. . Es bezieht das Recht auf Asyl in der EU auf das erst betrretene sichere EU-Land.

Zudem forderte Oettinger bereits September eine Angleichung des deutschen Asylrechts auf ein gemeinsames europäisches Gesetz, weil das deutsche auf Flüchtlinge weltweit wie ein Magnet wirke. Diese Forderung hat  Oettinger jetzt im Rahmen des Tübinger Presseclubs im SWR erneuert.

In Tübingen signalisierte er im Grundsatz Unterstützung für die deutsche  Bundeskanzlerin, die eine europäische Lösung bei den Flüchtlingsströme anstrebt. Oettinger sprach sich - wie Merkel - für die Finanzierung von Flüchtlingslagern außerhalb Europas aus. Langfristig brauche es dafür  aber statt der jetzt mit der Türkei vereinbarten 3 Milliarden  und den Geldern für die UN-Ernährungshilfe UNHCR eher einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Insgesamt aber rechne sich dieser finanzielle Aufwand für Deutschland: Die Höhe des Betrags, um einen Flüchtling mit wirklicher Perspektive in den Flüchtlingslagern auszustatten, belaufe sich auf  rund 50 Dollar pro Monat, um Nahrung, Wasserversorgung, Bekleidung und Bildungs- und Ausbildungsangebotezu gewährleisten. Die gleiche Sumnme brauche es hingegen für einen  Flüchtling in Deutschland pro Tag - alleine beispielsweise durch "die Anmietung heruntergekommener Hotels", für die viele Landräte als Not-Unterbringungsmöglichkeiten derzeit bezahlten.

In Tübingen widersprach Oettinger zugleich energisch der lange vor allem  Grünen- und SPD-Politikern Meinung, dass eine europäische See-Grenzsicherung nicht möglich oder wünschenswert sei.Innerhalb der grünen Partei hatte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer für eben diese Sichtweise vor Monaten noch vehement verbale Prügel bezogen.

Um eine Sicherung der EU-Meeres-Aussengrenzen in Südeuropa zu gewährleisten, brauche es "eine echte Polizei mit operativen Befugnissen", Oettinger. Dazu brauche es eine Marine mit Booten. Hierbei könne man vor allem an  "Abordnungen"  aus Bremerhaven und dem französischen LeHavre denken.

Zudem dürfe zukünftig nicht erst  das Anlegen von Flüchtlingsbooten in Griechenland oder Italien verhindert werden. Die Grenzsicherung müsse vor dem Ablegen der Boote erfolgen. Ein Boot, das in Seenot gerate, sei "eine Rettungsaufgabe" umnd müsse so gehandhabt werden.  Ein Boot, das gar nicht erst ablege, und "dessen Menschen wir auf menschenwürdige Lager, die wir finanzieren, verweisen" und denen dort eine Bleibeperspektive geboten würde, hingegen nicht. So könne die Abwehr des Flüchtlingszustroms ohne Gewalt geleistet werden - und "nach humanen Prinzipien".

Das aber funktioniere "nur auf dem Gebiet Griechenlands und der Türkei in einer Gemeinschaftsaktion." Im Falle der Türkei müsse hier verhandelt werden.

Würden hingegen EU-Aussenländer Länder wie Griechenland oder Italien "ihrer Grenzsicherungspflicht gegen Flüchtlinge nach Dublin3 nicht gerecht", so Oettinger, solle ein neues EU-Gesetz erlauben, hier von EU-Seite grenzsichernd  einzugreifen - auch gegen den Willen dieser Länder.  Die neu zu schaffende europäische Grenzpolizei  soll dann diese hoheitlichenEU-Rechte selbst ausüben.

Die Wiederaufrichtung nationaler Grenzen, wie Teile der CSU, CDU und der AfD fordern, sei keine Lösung, so Oettinger. Die Einnzigartigkeit des europäischen Raums in seiner Entwicklung bestehe vor allem in seiner grenzenlosen Freizügigkeit. Mit dem Schengen-Abkommen und dem Euro habe man diese Freizügigkeit erreicht. Dahinter dürfe man nicht zurückfallen. Auch wirtschaftlich käme dies einer Katastrophe gleich, so Oettinger. Denn wie in der Auto-Industrie würden Teile des Gesamt-Produkts mittlerweile in vielen EU-Ländern produziert.

Oettinger will sich bis zur Landtagswahl am 13. März mit zahlreichen Auftritten für seine Partei einsetzen. Er habe zahlreiche Einladungen. Konkret plane er an Wochenenden vor der Wahl mit rund sieben Auftritten pro Tag.

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