Sozialministerin Altpeter | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

Armutsrisiko im Land steigt: Dramatische Zahlen bei Alleinerziehenden und kinderreichen Familien

Stand: 23.11.15 17:52 Uhr

Die statistisch gefasste Verarmung und das Risiko dafür nimmt im Land zu - trotz der seit 2010 eingeleiteten Maßnahmen der grün-roten Landesregierung. Das legt der heute vorgelegte erste Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg nahe. Die drohende Verschärfung in den Bereichen Job- und Wohnungssuche durch den derzeitigen Flüchtlingszustrom will Sozialministerin Katrin Altpeter indessen nicht getrennt betrachten. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass hier Gruppen gegeneinander ausgespielt würden. Am wohlhabendsten - so der Bericht - sind kinderlose Paare.


Die statistisch definierte Armut im Land steigt weiter an: Im Jahr 2012 galten 1,6 Millionen Menschen oder 14,7 Prozent als armutsgefährdet, d. h. diese verdienen weniger 60 Prozent des Netto-Durchschnittseinkommens -also weniger als rund 1090 Euro - pro Person. Oder aber: sie stehen in Gefahr, unter diese Schwelle zu rutschen. Deutschlandweit liegt die Quote bei 15,2 Prozent. Frauen sind etwas stärker als Männer betroffen. Und besonders groß ist das Risiko für Migranten sowie bei Alleinerziehende und bei kinderreichen Familien.

Das dokumentiert der heute von Sozialministerin Katrin Altpeter in Stuttgart vorgelegte rund 900 Seiten starke erste baden-württembergische "Armuts- und Reichtumsbericht". Obwohl Baden-Württemberg zu den wirtschaftsstärksten Ländern zähle, gebe es auch hier nicht hinnehmbare Armut und soziale Ausgrenzung.

Schockierend: das Armutsrisiko für Alleinerziehende mit Kindern: 45,8 Prozent droht - unter anderem wegen fehlender Abschlüsse und schlechter Jobs - das Armutsrisiko- Und proportional steigt dieses Risiko mit jedem Kind weiter an. Des weiteren ist diese Gruppe vom insgesamt stärksten Risikoanstieg aller Gruppen betroffen. Zwischen 2007 und 2012 ist ein Anstieg um 5,8 Prozent zu verzeichnen.

Mit mehr Kleinkinderbetreuung – mittlerweile gibt es Plätze für 68 Prozent der Aspiranten -, mit mehr Ganztagsbetreuung und Ganztagesschulen habe die Landesregierung hier viel getan;insgesamt sei man auf dem Weg der der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorangeschritten. Auch das Programm für "Gute und sichere Arbeit" öffne für Alleinerziehende neue Wege.

Aus Altpeters Sicht ist das aber nicht genug: Sie regt an, das Kindergeld zu erhöhen. Für das erste Kind um 100 Euro und jedes weitere um 20 Euro. Beim Kindergeld sind Bund und Bundesrat am Zug.

Unumgänglich – so Altpeter. Denn Kinder aus diesen Verhältnissen nehmen das Risiko, selbst arm zu werden, gleich mit– steigend mit der steigenden Zahl der Kinder. Das Erstgeborene notiert mit 38,4 Prozent Verarmungsrisiko, das zweite schon mit 49,8 beim dritten summiert es sich auf rund 60 Prozent.

Deshalb nehme der Bericht grade die Kinderarmut verstärkt in den Fokus, so Altpeter; grade diese gelte es stark zu machen. Ansonsten drohe auch die folgende Generation der Armen "in die Armutsfalle zu tappen".

Auch fehlender bezahlbarer Wohnraum in einer intakten Umgebung spielt - der Erhebung zu Folge - bei Erwachsenen wie Kindern beim Thema Armutsgefährdung durch soziale Abkoppelung eine große Rolle: denn schlechte Wohnumgebung beeinflusse ungünstig die soziale Entwicklung der Kinder und kopple auch Erwachsene von der sozialen Teilhabe und vom Wohlstand ab.

Altpeter lehnt es indessen ab, die Verschärfung durch immer mehr Flüchtlinge, die Wohnraum und Jobs brauche, getrennt und aufeinander bezogen zu debattieren. Armut lasse sich nicht an der Herkunft verorten und sortieren. Die Schaffung von sozial bezahlbarem Wohnraum für die, die ihn brauchten, sei eine allgemein zu sehende und "vordringliche" Aufgabe.

Auch bei Menschen mit Migrationshintergrund besteht ein hohes Armutsrisiko. Rund ein Viertel waren 2012 davon betroffen. Soziale Herkunft und Bildungserfolg hängen - dem Bericht zu Folge - eng zusammen: Nur 17 Prozent der Gymnasiasten drohe später Armut, Hauptschülern zu 27 Prozent.

Familiäre Hartz4-Tradition über Generationen hinweg sollen durch noch mehr Sprach-, Frühbetreuungs-, Bildungs- und Teilhabeangebote unter allen Umständen vermieden werden.

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