Ralph Schönenborn | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen-Oferdingen:

Oferdinger Rücktritt und Reaktionen: Wie Bezirksbürgermeister Ralph Schönenborn seinen Rückzug begründet

Stand: 14.10.15 19:27 Uhr

Wie bereits gestern berichtet ist Ralph Schönenborn, Bezirksbürgermeister von Reutlingen-Oferdingen, gestern mit sofortiger Wirkung zurückgetreten, nachdem er "persönlich bedroht und persönlich angefeindet worden sei und anonyme Drohungen gegen sich und seine Frau erhalten habe. Schönenborn hatte sich für den Bau einer Sammelunterkunft für Flüchtlinge auf einem Grundstück in Oferdingen eingesetzt. Die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, der Reutlinger Gemeinderat sowie zahlreiche Politiker aus der Region zeigten sich angesichts dieser Entwicklungen erschüttert.


Das Oferdinger Rathaus - von hier aus erreichte der nachrichtliche Paukenschlag in Form eines Schreibens gestern am frühen Nachmittag die Redaktionen: Rathaus-Chef Ralph Schönenborn, der Bezirksbürgermeister des 2400 Einwohner-Stadtteils Reutlingen-Oferdingen, legt mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder.

In seinem Schreiben an die Stadt Reutlingen und den Gemeinderat heisst es dazu:

„Ich trete mit sofortiger Wirkung vom Amt des Bezirksbürgermeisters und auch als Gemeinderat zurück. Persönliche Anfeindungen und anonyme Drohungen gegen meine Person und gegen meine Frau haben den Ausschlag gegeben, dass ich aus Rücksicht auf meine Familie diesen Schritt gehe."

Wenig später: Betroffenheit auf einer sofort einberufenen Pressekonferenz der Stadt:
Reutlingen. "Die Vorgänge, die dazu geführt haben", so OB Barabara Bosch, hätten sie "schwer erschüttert". Alle hätten derzeit große Sorgen, wie es gelingen könne, "den wachsenden Zustrom an Flüchtlingen unterzubringen und zu integrieren." Bosch betont zudem, dass sich alle nach Kräften bemühten, lösungen zu finden, "wie in anderen Städten auch". Nichts aber rechtfertige persönliche Angriffe oder Drohungen. Für ausländerfeindlich halte sie die Oferdinger aber nicht. Wohl aber hätten sich einige im Ton vergriffen.

Im Vorfeld des Rücktritts durch die aufgeheizte Stimmung hatte es um die vom Reutlinger Gemeinderat beschlossene Unterbringung von70 Flüchtlingen auch in Reutlingen-Oferdingen heftige, zum Teil emotionale Diskussionen und Auseinandersetzingen unter Oferdinger Bürgern gegeben.

Dabei ging es vielen um den Standort für ein Container-Dorf auf einem unbebautes Grundstück am Ortseingang, das sich im Besitz der stadteigenen Wohnunsbaugesellschaft GWG befindet. Aus Sicht der Stadt Reutlingen: eines der wenigen geeigneten Grundstücke, um die kommunal verpflichtende Flüchtlings-Unterbringung zu stemmen.

Daraufhin forderte der Oferdinger Bezirksgemeinderat am 2. Juni einstimmig den Beschluss, auf die zentrale Container-Unterbringung in Oferdingen zu verzichten, sondern kleinteilig und dezentral unterzubringen. Zudem versprach er, zeitnah Alternativen vorzulegen

Der Oferdinger Freundeskreis für Flüchtlingshilfe sammelte dann in der Folge rund 700 Unterschriften für die Umsetzung dieses Beschlusses durch Reutlingen sowie für eine faire Verteilung über das gesamte Stadtgebiet von Reutlingen.

Schönenborn hingegen verteidigte indessen den Standort und die Entscheidung der Stadt stets als solidarisch richtig und verwaltungsrechtlich verpflichtend. In seinem Rüchtrittsschreiben heisst es:

„Auch in den anderen Reutlinger Bezirksgemeinden sowie in der Kernstadt werden Flüchtlinge aufgenommen."

In der Folge - so Schönenborn in seinem Schreiben - war es dann auch zu persönlichen Beleidigungen und zu anonymen Drohungen gegen ihn und seine Familie gekommen:

„Kontroverse Diskussionen sind in einer Demokratie der Normalfall und für die Meinungsbildung wichtig und notwendig. Wir alle in Deutschland suchen doch den richtigen Weg, mit einer solchen Völkerwanderung angemessen umzugehen. Eine Grenze wird aber dann überschritten, wenn Verunglimpfungen und Drohungen gegen Andersdenkende die Auseinandersetzung in der Sache belasten".

Die Situation im Rathaus kulminierte dann zusätzlich, als 9 der 11 Bezirksgemeinderäte ihren Rathauschef zum Rücktritt aufforderten. Schönenborn schreibt dazu:

„Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit mehr, in positivem Sinn für Oferdingen zu wirken. Oferdingen und seine Bürgerinnen und Bürger sind mir wichtiger als mein Amt als Bezirksbürgermeister. Ich hoffe, mit diesem Schritt zu einer Versachlichung und Mäßigung der Diskussion beizutragen."

Dass seine Bürger mehrheitlich ausländerfeindlich sind, glaubt Schönenborn jedoch ebenso wenig wie die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch. Im Fall der Drohungen gegen Schönenborn sind mittlerweile polizeiliche Ermittlungen eingeleitet. Im Oferdinger Rathaus wird heute Abend eine öffentliche Gemeinderatssitzung über Ersatzstandort-Vorschläge diskutieren. Eine Streichung von Oferdingen von der vom Reutlinger Gemeinderat beschlossenen Flüchtlingszuweisung ist aus verwaltungsrechtlichen Bestimmungen ohne Zustimmunng der selbst unter dem permanenten Druck von Flüchtlingszuweisungen stehenden Stadt Reutlingen indessen nicht in Sicht.

WERBUNG:



Seitenanzeige: