Ministerpräsident Kretschmann | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

Heftiger Schlagabtausch: CDU und FDP attackieren Kretschmanns Flüchtlingspolitik

Stand: 01.10.15 20:41 Uhr

Angesichts der derzeitigen Flüchtlingskrise hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann heute im Stuttgarter Landtag eine Regierungserklärung abgegeben. Dabei wurden rund eine Woche nach der von einem breiten kosens geprägten Aussprache erstmals politische Unterschiede deutlich. Während Vertreter der grün-roten Landesregierung darauf verwiesen, im Land alles derzeit Mögliche zur Bewältigung der Belastungen zu tun, zogen dies die Sprecher von CDU und FDP in Zweifel.


Dass Neue Schloss in Stuttgart: Gestern hatte der Ministerpräsident hier die Chefs der Fraktionen
angesichts der weiter anschwellenden Flüchtlingsströme zum Krisen- und Lage-Gespräch gebeten: Täglich deutschlandweit 11.000 Neu-Ankommende, die auch ins Land verteilt und untergebracht werden müssen - Kreise und Kommunen nah der Belastungsgrenze.

Heute im Landtag war Winfried Kretschmann in seiner Regierungserklärung sichtlich bemüht, angesichts kippender Stimmungen und beginnenden Asylrechts-Diskussionen die dramatischen Bilder von Kriegen, Terror, Not und Tod zu beschwören.

Wer sich europäischem Boden nähere, der dürfe "nicht Angst haben zu ertrinken oder zu ersticken. Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen", so Kretschmann. Denn Recht auf Asyl sei "kein Gnadenakt, sondern ein Grundrecht", das zum Kernbestand "unserer Demokratie" gehöre.

32.000 Menschen habe man deshalb bis jetzt in den vielen neuen LEAs aufnehmen können. Durch die Flüchtlingsgipfel, zusammen mit Kreisen, Städten und Ehrenamtlichen, bewältige man die Herausforderungen erfolgreich.

Zudem werde er jetzt im Bundesrat zustimmen, die Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer zu qualifizieren; Sachleistungen,statt Taschengeld in den LEAs komme. Und das werde bei rund 40 Prozent an Wirtschaftsflüchtlingen für deutliche Entlastung sorgen. Die Regierung handle "koordiniert, entschlossen und mit ganzer Kraft", damit man der Verantwortung gerecht werden könne.

Für die die, die bleiben, sei fordern und fördern angesagt: Mit Deutsch-Kursen, schulischer und beruflicher Ausbildung werde man die Flüchtlinge schnell bereit für den Arbeitsmarkt machen. Und wenn es gut gehe, dann könne hier gar die Basis  für ein zweites Wirtschaftswunder geschaffen werden.

Keinen Zweifel dürfe es indessen an den in Deutschland in der Verfassung garantierten Rechte und Pflichten geben. Diese seien nicht verhandelbar. Das Grundgesetz sei die von allen zu respektierende Basis des Zusammenlebens. Die Freiheitsrechte und die Religionsfreiheit des Einzelnen und der anderen sei unantastbar - auch für die, die aus anderen kulturellen zusammenhängen stammmten. Und das werde man auch mit der Macht des Gesetzes durchsetzen.

Das alles aber reiche nicht aus, wenn der Bund nicht umgehend für schnellere schnellere Asyl-Verfahren sorge, wenn dieser Europa nicht zur solidarischen Entlastung Deutschlands zwinge und wenn man dort insgesamt nicht an den außenpolitisch richtigen Schrauben drehe. Man müsse Flüchtlingslager im Libanon und LEA-Hot Spots an den europäischen Außengrenzen aufbauen und dort für die nötige Versorgung Sorge tragen. Auch Afrika müsse man entwicklungspolitisch stärker in den Blick nehmen. Uneingeschränkt – und in Absehen der grünen Partei-Interessen – unterstütze er deshalb den Kurs, den die CDU-Kanzlerin im Bund jetzt vorgebe.

Die Opposition aber sieht ein Wegducken und Verantwortungs-Geschiebe: Noch kürzlich habe Kretschmann vom "Boot das nie voll ist" gesprochen. Risiken blende er aus, und er drücke sich vor Eigenverantwortung.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wirft der Landesregierung vor, die quantitativen Grenzen erfolgreicher Integration wahrnehmen zu wollen. Zudem vermisse er, dass sich die grün-rote Landesregierung auch um die Rechte der Menschen im Land kümmere.

Der Ministerpräsident, so der CDU-Oppositionsführer, nehme sich nicht den Sorgen der Menschen an. Genau das aber sei auch seine Augfgabe. Wolf erinnert dabei an den Fall einer 56-jährigen Frau, der von ihrer Gemeinde die Sozialwohnung gekündigt wurde, um dort Flüchtlinge unterzubringen.

Die Grünen - so Wolf - hätten zudem ein offensichtliches Abschiebeproblem. Die Regierungspolitik und deren Parteien müssten sich jetzt aber als handlungsfähig erweisen - jenseits parteiinterner Befindlichkeiten. Kretschmann reagiere immer nur, statt zu agieren und sei deshalb ständig "ein Getriebener" der Entwicklungen. Das sei zu wenig in dieser schwierigen Zeit.

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