Florian Bauer | Bildquelle: RTF.1

St.Johann:

Schwul und FDP: Mit seinem Sieg in der ländlichen Alb-Gemeinde St. Johann widerlegt Florian Bauer gleich zwei Vorurteile

Stand: 20.08.15 06:03 Uhr

Sein Sieg sorgte landesweit und bis hinein in die Bundespartei für Schlagzeilen - obwohl, oder vielleicht gerade - weil es eigentlich nur um den Bürgermeister-Stuhl in einer kleinen ländlichen Alb-Gemeinde ging. Florian Bauer hat als offen schwuler Kandidat einen bürgerlichen Verwaltungs-Routinier geschlagen und nach einer langen Durststrecke wieder einen Rathaus-Chef-Posten für die FDP geholt.


Auf seinem Weg in den Bürgermeister-Sessel in Sankt Johann, einer ländlichen 5000 Seelen-Gemeinde bei Reutlingen, auf der Schwäbischen Alb, hat er für gleich zwei Ausrufe-Zeichen gesorgt. Der 40jährige Florian Bauer ist offen schwul, mit einem Mann verheiratet, und FDP-Mitglied; als Bauer am 08. Februar, 2015, im zweiten Wahl-Gang, mit 51,1 Prozent der Stimmen den Sieg holte, wurde in Deutschland grade über dass Fortbestands-Recht der liberalen diskutiert.

Bauers Sieg wurde über regionale Grenzen wahrgenommen. Und auch, dass ein offen schwuler Mann in aller-ländlichsten Gebieten mit oft konservativer Wählerschaft gegen einen altgedienten Verwaltungsfachmann reüssieren kann. Das aber habe ihn nicht überrascht, so Bauer. Er habe relativ schnell gemerkt, dass das keine Rolle im Wahlkampf gespielt habe. Die Menschen seien an Themen interessiert. Zudem wies Bauer bei der Kandidaten-Vorstellung scherzhaft darauf hin, dass er von allen Bewerbern schließlich der einzige sei, der "ordnungsgemäß seit 10 Jahren verheiratet" sei, "und immer noch mit dem gleichen Partner". Ein Satz, der zu Erheiterung der versammelten Bürger führte.

Der Weg des Florian Bauer in Richtung Rathaus-Sessel begann im Grunde genommen schon vor einigen Jahren; als er mit seinem Mann in den St. Johanner Gemeindeteil Würtingen zog. Neugierig seien die Leute durchaus gewesen. Er habe aber nie den Eindruck gehabht, dass es da irgendwelche Probleme oder Vorbehalte gebe.

Also Büroleiter von FDP-Bundestagsabgeordneten in Berlin hatte und Leiter der FDP-Öffentlichkeitsarbeit im Landesverband hatte Bauer zudem als Kandidat  einiges vorzuweisen. Einblicke, Erfahrungen und Sichtweisen, auf die jetzt auch die unter Abwanderung und klammen Kassen leidende Albgemeinde hofft. Denn dort ist Handlungsbedarf angesagt. Das Thema Tourismus könnte dabei aus Sicht von Bauer ein Ansatz sein. Viele Albgemeinden hätten eine schöne Landschaft vorzuweisen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist hingegen, dass St.Johann eine wahre Fundgrube der Zeugnis von Kelten ist. Es gibt mehrere Grabhügel, ein ehemaliges Verhüttungsfeld für Eisen und ganz in der Nähe erhebt sich die ehemalige keltische Ringburg Heidengraben - ein potentieller Anknüpfungspunkt für ein touristisches konzept, das Urlauber herziehen könnte.

Daneben sieht Bauer aber auch in politischen Feldern dringenden Handlungsbedarf: er fordertbeim Thema Sicherung des ländlichen Raums auf mehreren Ebenen ein politisches Umdenken: Durch die eng gefassten Flächennutzungspläne der Regionalverbände, die die Ausweisung von Gewerbegebierten und Bauplätzen regeln, sei es mit der Ansiedlung neuer Bürger schwierig.

Wer also keine Gewerbegebiete oder Bauplätze mehr habe, der werde die von der regionalen und Landespolitik besorgt betrachtete Landflucht nicht abwenden können.. Zudem müsse die geförderte Sanierung der Ortskerne noch viel stärker vorankommen. Denn niemand ziehe in einen Ort mit einem verweisten hässlichen Ortskern. Die Frage des Zustands der Infrastruktur sei deshalb eine zentrale Zukunftsfrage.

Verheerende politische fünf vor zwölf-Signale für die gefährdeten Standorte Dorf und Land sieht Bauer indessen auch in derzeitigen der grün-roten Schulpolitik - trotz aller eigenen Bemühungen, den gestellten Anforderungsprofilen gerecht zu werden. So hat es die aus verschiedenen Teilorten zusammengefasste Gemeinde geschaftt, den durch den demographischen Wandel und die Wegzüge entstehenden Schülerzahlen einen gemeinsamen Standort entgegenzusetzen. 

Dort ist jetzt eine Schule entstanden, die Hauptschule und Werkrealschule bietet. Ein großes, mit viel Engagement von Lehrern, Eltern, Bürgern und Schülerm zustande gebrachtes Projekt, wie Bauer anmerkt. Die Schule erfülle also praktisch nahezu alle Vorgaben und Wünsche der grün-roten Landesregierung.

Dass man trotzdem keine Gemeinschaftschule werden könne, versteht der neue Mann im Rathaus, bei gleichzeitigen Ankündigungen, dass der Schule wegen geringer Schülerzahlen langfristig die Schließung drohe, deshalb nicht. Wenn man schon nicht in jedem Ort eine Gemeinschaftsschule genehmige, dann könne  es nicht richtig sein, dass denen,die sich bemühten, die hohen Anforderungenzu erfüllen, "das Leben schwer gemacht werde".

Und wenn es dann dadurch tatsächlich zu einer Schließung komme, dann werden sich – so glaubt Bauer – weitere Familien zur Abwanderung in Richtung Stadt aufmachen.

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