Das Jahr 2023 begann mit einem Spatenstich. Der Landkreis Tübingen baut im beruflichen Zentrum Rottenburg einen Erweiterungsbau. Zusammen mit umfangreichen Umbaumaßnahmen in Derendingen investiert der Landkreis rund vierzig Millionen Euro in die berufliche Bildung.
"So schaffen wir eigentlich wieder den notwendigen Raum für eine gute Ausbildung an den beruflichen Schulen", so Landrat Walter. "Und wenn Sie noch mal dran denken an die großen Themen Transformation beispielsweise, wen brauchen wir da? Nicht unbedingt den Politologen, der sich möglicherweise auch mal zwischendurch auf der Straße anklebt, sondern wir brauchen den Handwerker, der das Ganze umsetzt."
Für den Klimaschutz braucht es aber auch öffentlichen Nahverkehr. Stichwort: Ammertalbahn. Sie war ja im zu Ende gehenden Jahr und eigentlich schon seit der Elektrifizierung ein Sorgenkind. Doch der Grund für all die Verspätungen und Zugausfälle liegt nicht in der Hand des Landkreises. "Unser Problem ist ein ganz anderes, dass nämlich unser Betreiber der Strecke, die DB Regio, teilweise auch Probleme hatte mit Lokomotivführer, mit Wagenmaterial", sagte Walter. "Und wenn nur mal der Scheibenwischer an der Lokomotive nicht funktioniert hat, dann sind die Züge ausgefallen."
Hinzu kommen Personalprobleme bei der ENAG. Wenn dort einer krank wird, fallen Züge aus. Mittlerweile müsse man in den frühen Morgenstunden und abends mit Schienenersatzverkehr fahren, erklärt Walter. Ein weiteres Problem: Die Züge aus Reutlingen und die S-Bahn von Stuttgart nach Herrenberg verspäten sich und geben diese Verspätungen an die Ammertalbahn weiter.
"Wir sind jetzt in Überlegungen, und ich hoffe, dass wir das in der nächsten Verbandsversammlung entscheiden, dass wir die Ammertalbahn bis auf Weiteres als Inselbetrieb fahren. Das heißt, sie soll nur noch zwischen Tübingen und Herrenberg verkehren und dann aber pünktlich sein."
Doch nicht nur bei der Bahn, auch im Landratsamt schlägt der Personalmangel zu. Und hier – so Landrat Joachim Walter – sei man erst am Anfang: "Wenn die sogenannte Boomer-Generation, wie das immer auf Neudeutsch heißt, in Ruhestand geht, und da sind wir erst am Anfang, dann werden deutlich deutlich mehr Stellen frei, die wir ohne Weiteres nicht nachbesetzen können", sagte Walter. "Deshalb fordern wir ja gerade den Bürokratieabbau."
Und dieser ist nach Joachim Walters Ansicht auch notwendig, denn es gibt in den Behörden einige Doppelbelastungen. Und Gesetzesvorschriften, die an den berühmten Passierschein A 38 aus „Asterix" erinnern: "Wenn Menschen aus der Ukraine zu uns kommen, haben sie einen Anspruch auf Bürgergeld. Und wenn jetzt eine junge Frau mit zwei Kindern da ist, geht sie zum Jobcenter, beantragt dieses Bürgergeld. Dem Bürgergeld geht aber der Unterhaltsvorschuss vor. Der muss beim Landratsamt beantragt werden. Also wird die Dame zum Landratsamt geschickt und eine weitere Behörde prüft den Sachverhalt von vorne bis hinten noch mal."
Das Thema Flüchtlinge bringt derzeit den Landkreis an seine Grenzen. Denn die Behörde stößt auf immer größere Schwierigkeiten in der Bevölkerung: "Wenn wir eine Unterbringung eröffnen wollen, egal ob 5, 20, 50 oder 250 Menschen, regt sich in der Regel in der Nachbarschaft natürlich erheblicher Widerstand. Die Menschen spüren, dass es momentan von der Zahl her einfach zu viel ist", sagte Walter.
Hinzu kommt: Die Unterbringung ist das eine. Aber auch Kindergärten, Schulen und ärztliche Versorgung gelangen durch den Zuwachs an ihre Grenzen. Hier, so Walter, sei vor allem die Bundespolitik in Berlin gefragt.
"EIn früherer Dezernent, der jetzt in Ruhestand gegangen ist, hat immer gesagt, die Situation bei uns ist die: Der Bus kommt voll, und der Bus fährt leer, und dann stehen Menschen da, und mit denen müssen wir ordentlich umgehen, die müssen wir ordentlich unterbringen. Aber die schiere Zahl, die bringt uns alle miteinander momentan an die Grenzen."
An die Grenzen geht auch der Haushalt. Die Hälfte der Kosten sind soziale Kosten. Die Kreisumlage reicht da längst nicht mehr aus, sie zu decken. Auch wenn sie mittlerweile auf 130 Millionen Euro angehoben wurde. "Und es wird in den nächsten Jahren noch schwieriger werden". sagt Walter. "Und wir werden über vieles nachdenken müssen, was heute selbstverständlich ist. Ob wir uns das tatsächlich noch leisten können."
Auf das Tübinger Landratsamt werden also auch in den kommenden Jahren noch große Herausforderungen zukommen, für die die große Politik verantwortlich ist.
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