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Saudi Arabien:

Saudischer Blogger Badawi erneut zu Auspeitschung verurteilt - FDP verurteilt Strafe scharf: 10 Jahre Haft, 1000 Peitschenhiebe, 200.000 Euro Geldstrafe

Stand: 19.03.19 21:22 Uhr

07.06.2015. Der saudischen Blogger Raif Badawi wurde im neu aufgerollten Prozess erneut zu 10 Jahren Haft, 1.000 Peitschenhieben und 200.000 Euro Geldstraße verurteilt. Die FDP hat das erneute Urteil gegen Badawi scharf verurteilt: Saudi-Arabien verletze elementare Menschen- und Grundrechte und solle Badawi begnadigen. Jegliche Waffenlieferungen an Saudi-Arabien müssten eingestellt werden. Anfang 2015 war der saudische Blogger bereits öffentlich ausgepeitscht worden. Dies hatte eine weltweite Protestewelle ausgelöst.

Zur heutigen Bestätigung des Urteils, der öffentlichen Auspeitschung des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi, erklären das FDP-Präsidiumsmitglied und der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer MdEP und der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Baden-Württemberg Hosam el Miniawy:

"Schon am 12. Januar 2015 haben wir uns, in einem Schreiben im Fall Raif Badawi, an die saudi-arabische Botschaft gewandt und das Urteil aufs Schärfste kritisiert. Heute wurde das harte und ungerechte Urteil bestätigt: 10 Jahre Haft, 1000 Stockhiebe und über 200.000 € Strafe.

Diese grausame Art von Bestrafung ist menschenunwürdig und stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar. Wir erwarten von Saudi-Arabien, dass es den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, die es eingegangen ist, Rechnung trägt. In einem Brief an die Botschaft verurteilen wir, die Bestätigung des Urteils und fordern eine Begnadigung."

Ganz offensichtlich verletze Saudi-Arabien elementare Menschen- und Grundrechte. Jegliche Waffenlieferungen sollten deshalb umgehend ausgesetzt werde, so die FDP.

2013 um Todesstrafe herumgekommen

Im Jahr 2013 war Badawi im damaligen Prozess um die Todesstrafe herumgekommen nachdem er beteuert hatte, er sei Moslem.

Als Beweis gegen Badawi hatte die Anklage seinerzeit angeführt, dass er eine christliche facebook-Seite mit einem "like - gefällt mir" versehen hatte.

Später war Badawi zu einer Strafe von 1.0000 Peitschenhieben verurteilt worden, die "in Raten" verabreicht werden sollte. Aufgrund internationaler Proteste hatte Badawi "nur" einmal Peitschenhiebe erhalten. Anschließend war die weitere Auspeitschung ausgesetzt und seither immer wieder verschoben worden. Offiziell, weil sein Gesundheitszustand nach Einschätzung von Ärzten die weitere Vollstreckung der Strafe noch nicht zuließ.

Ende Januar 2015 hatte nach NDR-Angaben so ausgesehen, als habe das Königreich ein Einsehen. Unter Berufung auf den Botschafter Saudi Arabiens in Deutschland hatte es geheißen, Badawi solle die noch ausstehenden 950 Peitschenhiebe erlassen bekommen.  Die erste Auspeitschung am 9. Januar 2015 hatte massive internationale Proteste ausgelöst.

Saudi Arabischer Botschafter: "Die Bestrafung wurde gestoppt"

Wie die Botschaft des Königreiches Saudi Arabien in Berlin damals dem NDR Medienmagazin "Zapp" mitgeteilt hat, soll der Blogger Raif Badawi offenbar keine Peitschenhiebe mehr erhalten. Zudem stellt Botschafter Prof. Dr. med. Ossama bin Abdul Majed Shobokshi in Aussicht, dass Badawi, nachdem die Auspeitschung gestoppt wurde, auch nicht seine gesamte Haftstrafe von zehn Jahren absitzen müsse. Seine Mitteilung an "Zapp" im Wortlaut: "Die Bestrafung von Herrn Raif Badawi wurde, wie ich verstanden habe, gestoppt. Er wird keine Peitschenhiebe mehr erhalten. Ich nehme an, dass Herr Badawi, nachdem die Auspeitschung gestoppt wurde, nicht zehn Jahre in Haft bleiben wird."

Nur wenige Stunden nach der Mitteilung des Botschafters war bekannt geworen,dass der saudische König Abdullah im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Tod des saudischen Königs und dem Straferlass für Badawi gibt, ist nicht bekannt.

Raif Badawi war wegen der Veröffentlichungen auf seiner Online-Plattform "Saudi-Arabische Liberale" zu zehn Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben, ca. 200.000 Euro Geldstrafe und einem anschließenden Reise- und Social-Media-Verbot verurteilt worden.

Badawi sollte "in Raten" ausgepeitscht werden, Der saudi-arabische Blogger wurde am 09. Januar 2015 in der saudischen Hafenstadt Djiddah erstmals öffentlich ausgepeitscht.

Bundesregierung protestiert: Auspeitschung "menschenunwürdig"

Daraufhin hatte der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Christoph Strässer, heftigen Protest beim saudi-arabischen Königreich eingelegt :"Ich verurteile die heutige öffentliche Auspeitschung von Raif Badawi aufs Schärfste. Diese grausame Art von Bestrafung, dazu noch in aller Öffentlichkeit, ist menschenunwürdig, stellt eine Menschenrechtsverletzung dar."

Die Auspeitschung widerspreche den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, die Saudi-Arabien eingegangen sei.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sagte: "Raif Badawi hat lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, indem er eine Webseite für öffentliche Diskussion geschaffen hatte. Dafür wird er nun so entsetzlich bestraft."

Der Blogger hatte 2008 das Online-Forum "Die Saudischen Liberalen" gegründet. Die Website thematisierte die Themen Poltik und Religion in Saudi-Arabien.

Vom drohenden Todesurteil zu 1.000 Peitschenhiebe, 10 Jahre Haft und 194.000 Euro Geldstrafe

Zunächst hatte ein höheres Gericht den Apostasie-Vorwurf zurückgewiesen, also die Ablehnung der eigenen Religion. Unter diesem Vorwurf hätte Badawi die Todesstrafe gedroht.

Ein anschließendes, erstes Urteil hatte in der ersten Instanz zunächst auf sieben Jahren Haft und vier mal 150 Peitschenhieben gelautet.

Im Mai 2015 wurde das Urteil abgeändert. Badawi erhielt wegen "Beleidigung des Islam" eine Strafe von zehn Jahre Haft, umgerechnet 194.000 Euro Geldstrafe und 1000 Peitschenhiebe.

Vollstreckung der Körpferstrafe ist lebensgefährlich

Die Vollstreckung der Körperstrafe ist Berichten zufolge lebensgefährlich. Die Peitschenhiebe sollen auf einen Zeitraum von 20 Wochen verteilt werden. Zwischen den einzelnen Auspeitschungen müsse eine Pause von mindestens einer Woche eingehalten werden.

Amnesty International zufolge soll die Auspeitschung von Raif Badawi am 9. Januar 2015 nach den Freitagsgebeten vor der Al-Jafali-Moschee in Jeddah vorgenommen worden sein.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Strasser appellierte an die Regierung von Saudi-Arabien, die grundlegenden Menschenrechte zu wahren und die verbleibende Strafe nicht zu vollstrecken.

Human Right Watch fordert von König Abdullah die Begnadigung.

Die Menschenrechtsorganisation Human Right Watch forderte den Saudi-Arabischen König Abdullah auf, Badawi sofort zu begnadigen.

Badawis "Vergehen": Gründung der Website "Die saudischen Liberalen"

Den Berichten zufolge hat Badawi gegen ein seit 2014 geltendes Gesetz verstoßen, als er Muslime, Atheisten, Juden und Christen als gleichwertig bezeichnete. Außerdem habe der Blogger auf seiner Website, dem Online-Forum "Die Saudischen Liberalen", die saudische Religionspolizei kritisert.

Außer den 1.000 Peitschenhieben und der Geldstraße von rund 195.000 Euro wurde gegen Badawi auch ein Reiseverbot von zehn Jahren und ein Verwendungsverbot für Medienkanäle verhängt. Die Website wurde auf Anordnung des Gerichts geschlossen. Am 1. September 2014 hatte das Berufungsgericht in Jeddah das harte Urteil bestätigt.

FDP schreibt Brief an saudischen König Abdullah

Gegen die öffentliche Auspeitschung des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi protestierte auch die FDP und schrieb einen Brief an Saudi-Arabien.

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer und der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Baden-Württemberg Hosam el Miniawy erklärten in einer Pressemitteilung:

"Das harte Urteil gegen den Blogger und Internetaktivisten Raif Badawi schockiert uns und wir verurteilen die öffentliche Auspeitschung von Raif Badawi aufs Schärfste. Diese grausame Art von Bestrafung, dazu noch in aller Öffentlichkeit, ist menschenunwürdig und stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar. Wir erwarten von Saudi-Arabien, dass es den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, die es eingegangen ist, Rechnung trägt."

Die beiden Politiker sagten weiter: "Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut und ein universelles Menschenrecht. Daher haben wir uns in einem Brief an den Botschafter von Saudi-Arabien gewandt und fordern die Aussetzung der Strafe für Raif Badawi. Zudem appellierten wir an die Regierung von Saudi-Arabien, die grundlegenden Menschenrechte zu wahren und die verbleibende Strafe nicht zu vollstrecken."

US-Regierung fordert offiziell den Widerruf des Urteils

Auch die US-amerikanische Regierung hatte Saudi-Arabien offiziell aufgefordert, das Urteil gegen den Blogger zu widerrufen.

EU kritisiert Urteil

Urteil und Vollstreckung wurden auch von einem Sprecher de EU-Außenbeauftragten Federica Mgherini kritisiert.

Reporter ohne Grenzen startet weltweite Online-Petition

Auch die internationale Reporter-Organisation "Reporters without Borders" - Reporter ohne Grenzen hatte zu Hilfe für den saudi-arabischen Blogger Badawi aufgerufen. Die Reporter-Organisation hatte weltweit dazu augerufen, eine Online-Petition an König Abdullah von Saudi Arabien zu unterzeichen.

"Stell Dir vor, Du bist ein junger saudischer Mann," schrieb Reporter ohne Grenzen: "Du stellst Fragen über die Gesellschaft, in der Du lebst, und machst zusammen mit Freunden eine website auf, die von den Behörden schnell wieder geschlossen wird. Dann nehmen die Behörden Dich von Deiner Frau und Deinen drei Kindern weg, und werfen Dich ins Gefängnis!"

Reporter ohne Grenzen schrieb weiter: "Bald danach wirst Du angeklagt, Debatten über politische, soziale und religiöse Themen in Deinem Land begonnen zu haben. Und Du wirst zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, zu 200.000 Euro Geldstrafe, und es wird Dir verboten, Dein Land in den nächsten 10 Jahren nach Verbüßung der Haftstrafe zu verlassen."

"Aber das ist nicht alles," schrieb die Reporter-Organisation: "Das Gericht verurteilt Dich zu einer Bestrafung mit 1.000 Peitschenhieben. Und damit es Dich nicht umbringt, wird ein Folterer damit beauftragt, das Urteil öffentlich zu vollstrecken: Vor der Mosche jeweils 50 Peitschenhiebe alle zwei Wochen."

Das ist kein Alptraum", schrieb Reporter ohne Grenzen vor Beginn der Auspeitschung: "Das ist das sehr reale Grauen, dem Raef Badawi, der Gründer des "Liberalen Saudischen Netzwerks", ins Gesicht blickt. Er siecht in einer Gefängniszelle dahin und weiß nicht, wann diese barbarische Bestrafung los geht."

Lucie Morillon, Programm Direktorin der Reporter-Organisation schrieb in dem Aufruf: "Unterstützen Sie Reporter ohne Grenzen! Erheben Sie Ihre Stimme, um diese unmenschliche Prozedur zu stoppen! Unterzeichnen Sie unsere Petition an den König von Saudi Arabien, Abdallah, damit er das unmenschliche Urteil gegen Raef Badawi aufhebt!"

Zweiter Satz Stockhiebe aus geundheitlichen Gründen verschoben

Ursprünglich sollte Badawi am 16. Januar 2015 weitere 50 Peitschenhiebe erhalten. Die Vollstreckung war zunächst aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeschoben worden:

Am morgigen Freitag, 23. Januar 2015, hätte der Blogger Raif Badawi eigentlich weitere Stockhiebe erhalten soll. Amnesty International zufolge sei aber ein ärztliches Gutachten vorgelegt worden, nach Badawi nicht in der Verfassung sei, die nächsten 50 Stockhiebe zu erhalten.

Somit sei es wahrscheinlich, dass die Bestrafung diese Woche erneut ausgesetzt werde. Raif Badawi sei gestern im König-Fahd-Krankenhaus in Dschidda von acht Ärzten untersucht, die daraufhin empfahlen, die Stockschläge aus medizinischen Gründen nicht zu verabreichen.

Protest-Aktion von Amnesty vor der saudi-arabischen Botschaft in Berlin

Auch Amnesty Internation hatte bereits vor der Vollstreckung gegen das Urteil scharf protestiert. Nach Verabreichung der ersten 50 Peitschenhiebe forderte Amnesty die bedingungslose Freilassung des Bloggers:

"Anstatt Raif Badawi zu quälen, indem sie immer wieder neu Gutachten erstellen lassen, sollten die Behörden öffentlich verkünden, dass sie ihm keine weiteren Stockhiebe verabreichen werden und ihn umgehend und bedingungslos freilassen", sagte Said Boumedouha, Experte für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

"Raif Badawi ist nach wie vor in Gefahr, denn niemand kann sagen, ob die saudischen Behörden den Empfehlungen der Ärzte Folge leisten werden oder ob sie nicht doch die Vollstreckung der Strafe anordnen werden.", sagte Boumedouha weiter.

Amnesty International hatte für den heutigen Donnerstag zu einer Protestaktion vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Berlin aufgerufen.

Amesty schrieb dazu in einer Pressemitteilung: "Die Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Selmin Çalışkan, übergibt der saudi-arabischen Botschaft rund 86.000 Appelle gegen das Urteil und die grausame Bestrafung Badawis. Aktivistinnen und -Aktivisten halten Banner und Schilder mit den Forderungen von Amnesty. Über Lautsprecher wird das Geräusch von Stockschlägen eingespielt. Auch die Schauspielerin Katja Riemann wird sich an der Aktion beteiligen."

Stockschläge verstoßen Amnesty zufolge gegen das völkerrechtliche Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung: "Raif Badawi ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat. Amnesty fordert Saudi-Arabien auf, die Vollstreckung der Prügelstrafe sofort zu stoppen und ihn bedingungslos freizulassen."

Hunderttausende setzten sich für Blogger ein. 86.000 Unterschriften gesammelt.

Im Rahmen des weltweiten Briefmarathons hatte Amnesty seit Ende 2014 zur Freilassung von Raif Badawi aufgerufen. Weltweit haben sich Amnesty zufolge seither Hundertausende für den Blogger eingesetzt: "Allein in Deutschland wurden in den letzten Wochen rund 86.000 Unterschriften gesammelt. Auch in zahlreichen anderen Ländern fordert Amnesty mit öffentlichen Aktionen die Freilassung Badawis. In Berlin wird sich die Schauspielerin Katja Riemann beteiligen und ihre Solidarität mit dem saudi-arabischen Blogger demonstrieren. "

Mit der Erklärung des saudi-arabischen Botschafters in Deutschland diesen Abend nimmt der Fall nun eine dramatische Wende zum Guten: Wenn der Botschafter sein Königreich "richtig verstanden" hat, wird das Urteil nicht weiter vollstreckt.

Blogger Badawi wurde am 13. Januar 2015  31 Jahre alt, ist verheiratet. Das Ehepaar hat eine kleine Tochter.

Sollte der Prozess nun neu aufgerollt werden, droht Badawi abermals das Todesurteil.

Badawis Ehefrau hofft darauf, dass sich Wirtschaftsminister Gabriel bei seinem demnächst anstehenden Saudi-Arabien-Besuch für die Freilassung Badawis einsetzt. Gabriel sicherte zu, mit der saudischen Regierung über Menschenrechte zu sprechen. Um den Erfolg dieser Gespräche nicht zu gefährden, wolle er sich, safgte er, im Fernsehen nicht über die Einzelheiten äußern.

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