E-Bikes | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Brief an Dobrindt - OB Boris Palmer: Anreize für die Verbreitung von E-Bikes schaffen

Stand: 03.02.15 11:48 Uhr

In einem Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer für zwei Maßnahmen ausgesprochen, mit denen die Verbreitung von Elektrorädern gefördert werden kann: Ein neues Verkehrszeichen "E-Zweiräder frei" auf ausgewählten Radwegen würde dazu beitragen, dass viele Autofahrten durch Radfahrten ersetzt werden können, schreibt Palmer. Außerdem würde die Einführung einer Plakettenordnung für motorisierte Zwei-Räder die Luftreinhaltung in Umweltzonen verbessern.

Hier Palmers Brief vom 12.01.2015 an Dobrindt im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Bundesverkehrsminister,

Elektromobilität in den Städten ist ein Thema, das viel Aufmerksamkeit findet. Etwas ungleich verteilt ist diese Aufmerksamkeit jedoch zwischen zwei- und vierrädrigen Elekt­rofahrzeugen. Dabei dümpeln die Zulassungszahlen von Elektroautos noch immer bei wenigen tausend, während bald mehr als zwei Millionen elektrifizierte Fahrräder auf deutschen Straßen und Radwegen unterwegs sind.

Für die Mobilität in Städten sind Elektrofahrräder noch weitaus wichtiger als Elektroau­tos. Allen elektrischen Antrieben ist gemeinsam, dass sie die Probleme der lokalen Luft­schadstoffbelastung lösen und wesentlich leiser sind als Fahrzeuge mit Verbrennungsmo­tor. Ein Auto benötigt aber auch mit Elektromotor eine teure und in Städten häufig aus Platzgründen kaum mehr sinnvoll herstellbare Infrastruktur, während Fahrräder ungleich sparsamer mit Raum und Geld umgehen.

Mit elektrischer Unterstützung können viele Autofahrten durch Radfahrten ersetzt wer­den, die sich dafür bislang nicht eigneten. Der tägliche Radius von sportlich normal akti­ven Menschen kann mit Elektrorädern von etwa 5 auf 15 km erweitert werden. Das Rad ist nicht mehr nur im Flachland, sondern auch bergauf täglich einsetzbar. Auch für ältere und sportlich eingeschränkte Menschen, ist ein Elektrorad eine Alternative zum Auto.

Die erfreulich positive Entwicklung bei elektrisch unterstützten Fahrrädern könnte nach meiner Überzeugung noch weiter verstärkt werden, wenn der Gesetzgeber die Straßen­verkehrsordnung modernisieren würde. Nach geltender Rechtslage gelten elektrisch unterstützte Fahrräder nur dann als Fahrräder, wenn der Elektromotor bei 25km/h abre­gelt. Daran ließe sich nach Auskunft Ihres Vorgängers im Amt nur auf Ebene der EU etwas ändern. Zwei andere Anreize für die weitere Verbreitung des elektrifizierten Rad­fahrens liegen jedoch in der Zuständigkeit des Bundes:

Erstens: Einführung eines neuen Verkehrszeichens „E-Zweiräder frei"

Elektrisch unterstützte Fahrräder verlieren in der Stadt einen Großteil ihre Vorteile, wenn man die Radverkehrsinfrastruktur nicht nutzen darf. Sicherlich eignet sich nicht jeder Radweg für S-Pedelecs, aber der Ausbau des Radwegenetzes in vielen Städten ist so ausgelegt, dass auch Fahrräder zügig unterwegs sein können. Auf solchen Radwegen wäre eine gezielte Freigabe für S-Pedelecs sinnvoll. Das ist auch möglich, aber nur mit dem Verkehrszeichen „Mofas frei".

Allerdings unterscheiden sich Mofas von elektrisch unterstützen Fahrrädern durch eine immense Lärm- und Abgasentwicklung, die von Radfahrern und Fußgängern als sehr störend wahrgenommen wird. Es ist daher in der Regel nicht erwünscht und sinnvoll, Radwege für Mofas frei zu geben. Hingegen wäre es sehr sinnvoll, gezielt nur den elektrisch unterstützten Fahrrädern die Nutzung ausgewählter Strecken der Radverkehrs­infrastruktur zu gestatten. Dafür wäre eine Veränderung der StVO notwendig zur Einfüh­rung eines Verkehrszeichens „E-Zweiräder frei" nötig.

Ein sehr eindrückliches Beispiel ist in Tübingen der Radverkehrstunnel zwischen Altstadt und Neckar, eine der wichtigsten Routen im ganzen Stadtgebiet. Der Tunnel schließt an eine Brücke an und ist damit eine von nur drei Nord-Süd-Verbindungen im Zentrum der Stadt. Eine der beiden anderen Routen ist die Strecke der vierspurig ausgebauten Bun­desstraße 28. Auf diese sollten wir elektrisch unterstützte Fahrräder nicht verweisen, jedenfalls dürfte dies wenig Verständnis bei Autofahrern finden. Die erneute Freigabe des Fahrradtunnels für Mofas ist andererseits auch nicht sinnvoll, da gerade im Tunnel die Belastung durch Lärm und Abgase der Mofas als besonders gravierend wahrgenom­men wurde. Es wäre daher sehr wünschenswert, eine Freigabe für „E-Zweiräder" erteilen zu können.

Zweitens: Einführung einer Plakettenordnung für motorisierte Zweiräder

Neben den elektrisch unterstützen Fahrrädern haben auch Elektroroller in den letzten Jahren eine große Entwicklung durchgemacht. In vielen chinesischen Städten sind heute kaum noch Roller mit Verbrennungsmotor unterwegs. Elektroroller sind bei den Treib­stoffkosten, den Lärmemissionen und den Abgaswerten ein riesiger Fortschritt zu Ver­brennungsmotoren.

In Tübingen wurde, wie in vielen anderen Städten in den letzten Jahren, eine Umweltzo­ne eingeführt, um die Belastung der Luft mit Schadstoffen aus dem Verkehr zu verrin­gern. Das Regierungspräsidium, das für Tübingen zuständig ist, argumentiert dabei, dass jede Maßnahme, die zu einer messbaren Verbesserung der Luftqualität führt, ergriffen werden müsse. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen urteilte zudem jüngst, dass der Luftreinhalteplan in Reutlingen verbessert werden müsse, weil die Grenzwerte erkennbar nicht eingehalten werden. Daher wurde zum Jahresbeginn das ganze Stadtgebiet Tübin­gens einschließlich der Bundesstraßen zur Umweltzone erklärt, um eine Verringerung der Schadstoffbelastung im einstelligen Prozentbereich zu erreichen. LKW und PKW dürfen in der ganzen Stadt nur noch mit grüner Plakette verkehren.

Erstaunlicherweise wird bei Zweirädern aber mit einem ganz anderen Maß gemessen. Es gibt bisher keine Plakettenordnung und keinerlei Fahrverbote für noch so alte Mofas, Roller und Motorräder. Manche Kleinkrafträder belasten die Stadtluft daher so stark mit Schadstoffen, wie hundert PKW. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass in naher Zukunft 20 % der Luftschadstoffe im Verkehr von Motorrädern stammen werden. Das Argument, die geringe Verkehrsleistung der Krafträder von nur 3 % rechtfertige keine Regulierung, greift also immer weniger. Es ist nicht mehr erklärbar, warum ein PKW mit gelber Plakette in einer Umweltzone ausgeschlossen wird, während ein Mofa weiter fahren darf, das zehn bis hundert Mal mehr Schadstoffe in die Luft bläst. Wer beides besitzt, würde durch die geltende Rechtslage in der Umweltzone sogar gezwungen, das Fahrzeug zu benutzen, das die Luft deutlich mehr belastet.

Zur Verbesserung der Luft in den Städten, aber auch zur Lärmminderung und als Anreiz zur Modernisierung der Fahrzeugflotte und zum Umstieg auf elektrische Roller wäre es daher sehr sinnvoll, wenn der Bund auch Zweiräder in die Regelungen der Plakettenord­nung und der Umweltzonen einbeziehen würde. Analog zur Plakette für PKW sollte in Umweltzonen dann kein Zweirad mehr verkehren dürfen, das wenigstens die Euro 3- Norm erfüllt.

Sehr geehrter Herr Minister, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich meinen Argu­menten anschließen und zwei wesentliche Verbesserungen für die Nutzung elektrisch unterstützter Fahrräder und der Lebensbedingungen in der Städten schaffen könnten: Eine Option für die Kommunen, Radverkehrswege für schnelle Elektrofahrräder zu öffnen und die Einbeziehung von motorisierten Zweirädern in das Reglement zur Luftreinhal­tung in Umweltzonen."

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