Archäologen betrachten Funde | Bildquelle: Varusschlacht im Osnabrücker Land / Hermann Pentermann

Teutoburger Wald:

Ausgrabung bietet neue Erkenntnisse zu vernichtender Niederlage der Römer

Stand: 26.09.17 18:01 Uhr

Eine Ausgrabung im Museumspark Kalkriese nahe Osnabrück liefert neue Erkenntnisse zu einer vernichtenden Niederlage dreier römischer Legionen gegen ein germanisches Heer: Der Varusschlacht im Teutoburger Wald.

Seit zwei Wochen wird im Museumspark Kalkriese erneut gegraben. In drei großräumigen Suchschnitten haben sich die Archäologen aus Kalkriese und der Universitäten Osnabrück und München auf Spurensuche begeben. Dabei sind die Wissenschaftler auf interessante Funde, aber auch Befunde gestoßen, die zu neuen Erkenntnissen im Hinblick auf den Verlauf der Varusschlacht führen. In den Grabungsschnitten haben die Forscher eine provisorische römische Befestigungsanlage bestehend aus einer Wallanlage und vorgelagertem Graben lokalisiert.

Schon im Sommer 2016 wurde ebenfalls in nördlicher Richtung eine Wallanschüttung gefunden, die auf den ersten Blick Rätsel aufgab. „Aufgrund der neuen Ergebnisse aus den laufenden Grabungen zeigt sich, dass der schon vor Jahren gefundene Wallabschnitt im Süden, der Wall der bei den Grabung im letzten Jahr entdeckt wurde und die jetzt gefundenen Anschüttungen Teil einer römischen Befestigungsanlage sind", so Prof. Dr. Salvatore Ortisi, wissenschaftlicher Leiter des Projekts von der LMU München.

„Wahrscheinlich haben sich die Römer im Verlauf der Schlacht hier verschanzt – der unregelmäßige Verlauf spricht dafür, dass die römischen Soldaten das in großer Eile und Bedrängnis gemacht haben dürften.", erklärt Ortisi weiter. Für den wissenschaftlichen Leiter zeigen die Forschungsergebnisse der vergangenen drei Jahre und auch die Ergebnisse aus den letzten Jahrzehnten, dass es sich hier um den Ort der Varusschlacht handelt. „An der Datierung ändern die neuen Erkenntnisse nichts. Vielmehr ermöglichen sie uns, den Verlauf der Varusschlacht besser zu verstehen. Es ist wirklich spannend, diesen Ort im Kontext Varusschlacht, die ja immerhin mehrere Tage gedauert haben soll, einzuordnen", so Prof. Ortisi.

„Wir haben hier einen antiken Trittstein gefunden, den wir als Ausgangpunkt für neue Fragestellungen nehmen können. Neue Erkenntnisse führen zu neuen Fragen. Ich bin gespannt auf die nächsten Wochen und Monate", freut sich Dr. Joseph Rottmann, Geschäftsführer Varusschlacht im Osnabrücker Land.

„Das Projekt Kalkriese strahlt als Kooperation zwischen der Universität Osnabrück, dem Land Niedersachsen, dem Landkreis Osnabrück und dem Museum weit über unsere Region hinaus. Kalkriese ist aus wissenschaftlicher Sicht ein hochattraktiver Standort, an dem es lohnt weiter zu graben, wie die aktuellen Funde und Befunde zeigen", so Prof. Dr. Wolfang Lücke, Präsident der Universität Osnabrück.

Die Befestigungsanlage entspricht nicht den üblichen römischen Standards. Technik und Bauweise sprechen jedoch eine klare römische Sprache. Defensiv angelegt und ausgestattet mit einem nach außen gerichtetem Graben nutzten die Römer anscheinend die Topografie des Geländes, um sich zu verschanzen. Aufgrund der Größe gehen die Archäologen davon aus, dass hier 2.000 bis 3.000 Mann Schutz gesucht haben. Die Funde zeigen außerdem, dass hier auch Kämpfe stattfanden. „Das spricht womöglich dafür, dass wir es hier mit einem der letzten Gefechte zwischen den Römern und Germanen im Verlauf der Varusschlacht zu tun haben", erläutert Prof. Ortisi. In einem weiteren Grabungsschnitt im Westen stehen die Archäologen noch am Anfang. In den kommenden Wochen werden hier weitere Funde und Befunde erwartet.

Aus den neuen Erkenntnissen ergeben sich eine Reihe von neuen Forschungsfragen, die das Kalkrieser-Team und die Wissenschaftler der Universität Osnabrück sicherlich in den nächsten Jahren antreiben werden. Aus welcher Richtung kamen die Römer? Und wo lassen sich weitere Lager- oder Gefechtsorte ausmachen? Von wo aus haben die Germanen angegriffen und die Römer womöglich in einen Hinterhalt gelockt? Wo können neue Fundstellen ausgemacht werden und wie weit nach Osten zieht sich der Fundschleier tatsächlich? Dazu werden in den nächsten Monaten gezielt weitere Fläche großräumig untersucht. Auch weitere archäologische Ausgrabungen sind geplant – perspektivisch im 30 Quadratkilometer großen Schlachtareal, aber sicherlich auch im Museumspark, einem der Hauptkampfplätze. „Das Forscherteam wird versuchen, den großen Kontext, aber auch die kleinräumigen Szenarien besser zu erfassen. Dabei werden sicherlich viele kleine und große Erkenntnisse ans Tageslicht kommen, über die wir heute noch nichts wissen", so Rottmann.

Auch eine Reihe an römischen Funden haben die Archäologen bei den diesjährigen Ausgrabungen entdeckt. Darunter einen Phallusanhänger und eine so genannte Lunula, eine kleine halbmondförmige Sichel. Beide Teile bestehen aus einer Kupferlegierung und waren am Pferdegeschirr als Verzierung befestigt. Weiter wurde ein filigran gearbeitetes Kosmetikbesteck gefunden, dessen genaue Verwendung noch nicht ganz klar ist. Alle Objekte passen in das bisherige Fundspektrum von Kalkriese und befinden sich in einem äußerst guten Erhaltungszustand.

Die derzeitige Grabungskampagne wird im Rahmen der Grundförderung durch den Kooperationsvertrag mit dem Land Niedersachsen, der Universität Osnabrück und dem Grabungsvertrag mit dem Landkreis Osnabrück ermöglicht. Projektbezogen haben die Stiftung der Sparkasse Osnabrück, die Varus-Gesellschaft und MBN Bau AG die diesjährige Grabung unterstützt.

Stippvisite auf der Ausgrabung

Für alle Interessierten, die einem echten Archäologen über die Schulter schauen möchten, bietet das Varusschlacht-Museum vom 1. bis 3. Oktober 2017 während des Forum Kalkriese die Möglichkeit zur „Stippvisite auf der Ausgrabung". An den Thementagen am Feiertagswochenende steht die Archäologie im Fokus. Hier haben die Besucher die einmalige Gelegenheit, mit dem Kalkrieser Archäologie-Team ins Gespräch zu kommen und die vielfältige Arbeit bei der Erforschung des antiken Schlachtfelds hautnah kennenzulernen. Zusätzlich zur Stippvisite stehen Werkstattführungen, archäologische Parkführungen, Aktionen mit den Sondengängern und viele weitere Programmpunkte auf dem Plan.

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